Ferdinand Stadler (1813–1870)
Geb. 23. Februar 1813 in Zürich, gest. 24. März 1870 in Zürich
Ferdinand Stadler war in der Mitte des 19. Jahrhunderts neben Gustav Albert Wegmann und Leonhard Zeugheer einer der bedeutendsten Zürcher Architekten. Einen wichtigen Anteil an seinem umfangreichen Werk haben neugotische sakrale Bauten. Stadler stammte aus einer alteingesessenen Zürcher Familie. Er war der älteste Sohn von Hans Caspar Stadler (1786–1867) und Barbara Waser. Vater, Grossvater und Urgrossvater waren Zimmermeister mit eigenem Geschäft und daneben auch Werkmeister Holz (Staatsbauinspektor). Ferdinand besuchte mit 12 Jahren die kaufmännische Privatschule Hüni in Horgen und erlernte danach von 1830 bis 1832 den Beruf seines Vaters. Der jüngere Bruder August Conrad (1816–1901) musste eine Maurerlehre antreten, er eröffnete 1841 sein eigenes Baugeschäft.
Ferdinand Stadler begann 1832 ein Studium an der polytechnischen Hochschule in Karlsruhe, zusammen mit seinem Freund Gustav Albert Wegmann. Heinrich Hübsch hatte soeben die Leitung der Schule übernommen und Friedrich Eisenlohr lehrte dort, beide führende Vertreter des Rundbogenstils. Nach zwei Jahren zog Stadler weiter nach Darmstadt, um bei Georg Moller zu arbeiten. Er interessierte sich für dessen Forschung zur mittelalterlichen Bautechnik der Gotik. Eine darauf folgende grosse Bildungsreise führte ihn zuerst nach München, dann über Wien, Prag und Dresden nach Berlin, wo er die Bauten Karl Friedrich Schinkels bewunderte. Von Berlin ging es weiter nach Hamburg, Amsterdam, Brüssel und schliesslich nach Paris. Dort erreichte ihn die Nachricht des Vaters, dass er für ihn die Mitarbeit am Bau der Zürcher Münsterbrücke vereinbart habe, gebaut von einem Konsortium unter der Führung seines Onkels Hans Conrad Stadler. Im Winter 1835/36 war er zurück in Zürich.
1837 assoziierte Ferdinand Stadler sich mit Baumeister Arter. Erste Aufträge waren Brückenbauten, klassische Zimmerarbeiten. Erste Hochbauten waren 1837 der Umbau eines Quertrakts des Barfüsserklosters in ein Gerichtsgebäude und 1839 die Aufstockung des Obmannamts. Es folgte 1839 die Renovation und Erweiterung von Schloss Laufen für den Kunstmaler Johann Louis Bleuler, ausgeführt in englisch-gotischem Stil, wie Stadler ihn selbst beschrieb. 1840 beteiligte er sich am internationalen Wettbewerb für ein Börsengebäude in Frankfurt am Main und erreichte mit seinem Vorschlag hinter Friedrich August Stüler aus Berlin den 2. Platz. Das ermutigte ihn, nun nicht mehr als Zimmermann, sondern ab Mai 1842 – als einer der Ersten in der Schweiz – als selbständiger Architekt zu arbeiten.
Ab 1841 plante Stadler den Umbau der ehemaligen Augustinerkirche, die als Kornschütte gedient hatte, in die erste katholische Kirche Zürichs nach der Reformation. Das Ziel war nicht eine reine gotische Rekonstruktion, sondern eine Wiederherstellung «im Geiste des früheren Baustils»: Die neuen Kreuzrippengewölbe wurden nichttragend in Holz eingebaut. Dieser Auftrag begründete Stadlers Ruf als Kirchenbaumeister. Neugotische Kirchen wurden seine bevorzugte Bauaufgabe: 1846 die Friedhofskapelle Hohe Promenade in Zürich, 1847 die evangelisch-reformierte Kirche Obfelden, 1856 die römisch-katholische Kirche Unterägeri sowie die Elisabethenkirche in Basel, sein Hauptwerk. Es folgten die evangelisch-reformierten Kirchen Luzern (1858), Solothurn (1862; abgebrochen) und Baar (1865) sowie 1868 die evangelische Kirche in Nazareth, Israel.
Einige Sakralbauten wie auch öffentliche Gebäude errichtete er im Rundbogenstil: 1843 die Synagoge in Lengnau, 1861 die evangelische Kirche in Oberentfelden und 1862 die Stadtkirche in Glarus sowie 1846 das Bahnhofsgebäude in Baden und 1849 die Mädchenschule (heute Gewerbemuseum) in Winterthur.
Für profane Bauten hielt Stadler eher den Stil der Neurenaissance für angemessen wie bei den Zürcher Villen Grabenegg am Fröschengraben (1842, heute Freiestrasse 90) und Rosau am See (1843). Im gleichen Stil entwarf er 1846 die Villa Rothpletz im deutschen Neustadt, 1856 in Zürich die Villa Bodmer an der Sihl (1929 abgebrochen), 1861 das Altstadtschulhaus Winterthur, 1865 das Museumsgebäude schräg gegenüber dem Zürcher Rathaus und 1868 das Fotogeschäft Ganz an der Bahnhofstrasse 40.
Grössere Monumentalbauten zu realisieren blieb ihm verwehrt. 1850 hatte er sich am nationalen Wettbewerb für das Bundeshaus in Bern beteiligt und gewann den 1. Preis mit einem Entwurf im Rundbogenstil. Nach einer Überarbeitung der Beiträge ging der Auftrag an den Werkmeister Jakob Friedrich Studer mit der Vorgabe, die beiden Projekte von Stadler und des zweitplatzierten Felix Wilhelm Kubly zu vereinen. Noch zwei Jahre vorher hatte Stadler ein Projekt für das Bundeshaus im Zürcher Kratzquartier im englisch-gotischen Stil des Westminster Palace vorgestellt.
Bei der Gründung des Zürcher Polytechnikums 1855 wurde Stadler als erfahrener Bautechniker bedrängt, neben Gottfried Semper und dem Hilfslehrer Julius Stadler, seinem Cousin, die Professur für Baukonstruktion zu übernehmen. Bereits nach zwei Jahren beendete er jedoch den Lehrauftrag, weil er sich nicht zum Unterrichten berufen fühlte. Er beteiligt sich 1857 am internationalen Wettbewerb für den Neubau des Polytechnikums und erhielt den 3. Preis hinter den Projekten von Kubly und Joseph Caspar Jeuch. Die parallel zur offiziellen Jury tagende Jury des Schweizerischen Ingenieur- und Architektenvereins setzte Stadlers Projekt auf den 1. Rang. Schliesslich wurde der Auftrag direkt an Gottfried Semper und den Staatsbauinspektor Johann Caspar Wolf vergeben.
Bei seinen späten Werken erahnt man noch einmal die Inspiration durch seine vielen Reisen. Sein eigenes Haus an der Zürcher Bahnhofstrasse (abgebrochen) orientierte sich an neuesten Berliner Strömungen. Maurische Elemente aus Spanien finden sich bei der benachbarten 1864 gebauten Marienburg (1900 abgebrochen) und neubarocke Vorbilder aus Frankreich bei der 1867 gebauten Villa Windegg (heute Bellerivestrasse 10).
Paul Bissegger
Zitierweise: Paul Bissegger, Bestandsbeschrieb Ferdinand Stadler, in: Website gta Archiv / ETH Zürich, Dezember 2023, archiv.gta.arch.ethz.ch/nachlaesse-vorlaesse/ferdinand-stadler
© gta Archiv / ETH Zürich und der Autor, alle Rechte bleiben vorbehalten. Dieses Werk darf für nichtkommerzielle, pädagogische Zwecke kopiert und weiterverbreitet werden, wenn die Erlaubnis des Autors und der Inhaber der Nutzungsrechte erteilt ist. Für die Genehmigung wenden Sie sich bitte an das gta Archiv.
Ferdinand Stadler war in der Mitte des 19. Jahrhunderts neben Gustav Albert Wegmann und Leonhard Zeugheer einer der bedeutendsten Zürcher Architekten. Einen wichtigen Anteil an seinem umfangreichen Werk haben neugotische sakrale Bauten. Stadler stammte aus einer alteingesessenen Zürcher Familie. Er war der älteste Sohn von Hans Caspar Stadler (1786–1867) und Barbara Waser. Vater, Grossvater und Urgrossvater waren Zimmermeister mit eigenem Geschäft und daneben auch Werkmeister Holz (Staatsbauinspektor). Ferdinand besuchte mit 12 Jahren die kaufmännische Privatschule Hüni in Horgen und erlernte danach von 1830 bis 1832 den Beruf seines Vaters. Der jüngere Bruder August Conrad (1816–1901) musste eine Maurerlehre antreten, er eröffnete 1841 sein eigenes Baugeschäft.
Ferdinand Stadler begann 1832 ein Studium an der polytechnischen Hochschule in Karlsruhe, zusammen mit seinem Freund Gustav Albert Wegmann. Heinrich Hübsch hatte soeben die Leitung der Schule übernommen und Friedrich Eisenlohr lehrte dort, beide führende Vertreter des Rundbogenstils. Nach zwei Jahren zog Stadler weiter nach Darmstadt, um bei Georg Moller zu arbeiten. Er interessierte sich für dessen Forschung zur mittelalterlichen Bautechnik der Gotik. Eine darauf folgende grosse Bildungsreise führte ihn zuerst nach München, dann über Wien, Prag und Dresden nach Berlin, wo er die Bauten Karl Friedrich Schinkels bewunderte. Von Berlin ging es weiter nach Hamburg, Amsterdam, Brüssel und schliesslich nach Paris. Dort erreichte ihn die Nachricht des Vaters, dass er für ihn die Mitarbeit am Bau der Zürcher Münsterbrücke vereinbart habe, gebaut von einem Konsortium unter der Führung seines Onkels Hans Conrad Stadler. Im Winter 1835/36 war er zurück in Zürich.
1837 assoziierte Ferdinand Stadler sich mit Baumeister Arter. Erste Aufträge waren Brückenbauten, klassische Zimmerarbeiten. Erste Hochbauten waren 1837 der Umbau eines Quertrakts des Barfüsserklosters in ein Gerichtsgebäude und 1839 die Aufstockung des Obmannamts. Es folgte 1839 die Renovation und Erweiterung von Schloss Laufen für den Kunstmaler Johann Louis Bleuler, ausgeführt in englisch-gotischem Stil, wie Stadler ihn selbst beschrieb. 1840 beteiligte er sich am internationalen Wettbewerb für ein Börsengebäude in Frankfurt am Main und erreichte mit seinem Vorschlag hinter Friedrich August Stüler aus Berlin den 2. Platz. Das ermutigte ihn, nun nicht mehr als Zimmermann, sondern ab Mai 1842 – als einer der Ersten in der Schweiz – als selbständiger Architekt zu arbeiten.
Ab 1841 plante Stadler den Umbau der ehemaligen Augustinerkirche, die als Kornschütte gedient hatte, in die erste katholische Kirche Zürichs nach der Reformation. Das Ziel war nicht eine reine gotische Rekonstruktion, sondern eine Wiederherstellung «im Geiste des früheren Baustils»: Die neuen Kreuzrippengewölbe wurden nichttragend in Holz eingebaut. Dieser Auftrag begründete Stadlers Ruf als Kirchenbaumeister. Neugotische Kirchen wurden seine bevorzugte Bauaufgabe: 1846 die Friedhofskapelle Hohe Promenade in Zürich, 1847 die evangelisch-reformierte Kirche Obfelden, 1856 die römisch-katholische Kirche Unterägeri sowie die Elisabethenkirche in Basel, sein Hauptwerk. Es folgten die evangelisch-reformierten Kirchen Luzern (1858), Solothurn (1862; abgebrochen) und Baar (1865) sowie 1868 die evangelische Kirche in Nazareth, Israel.
Einige Sakralbauten wie auch öffentliche Gebäude errichtete er im Rundbogenstil: 1843 die Synagoge in Lengnau, 1861 die evangelische Kirche in Oberentfelden und 1862 die Stadtkirche in Glarus sowie 1846 das Bahnhofsgebäude in Baden und 1849 die Mädchenschule (heute Gewerbemuseum) in Winterthur.
Für profane Bauten hielt Stadler eher den Stil der Neurenaissance für angemessen wie bei den Zürcher Villen Grabenegg am Fröschengraben (1842, heute Freiestrasse 90) und Rosau am See (1843). Im gleichen Stil entwarf er 1846 die Villa Rothpletz im deutschen Neustadt, 1856 in Zürich die Villa Bodmer an der Sihl (1929 abgebrochen), 1861 das Altstadtschulhaus Winterthur, 1865 das Museumsgebäude schräg gegenüber dem Zürcher Rathaus und 1868 das Fotogeschäft Ganz an der Bahnhofstrasse 40.
Grössere Monumentalbauten zu realisieren blieb ihm verwehrt. 1850 hatte er sich am nationalen Wettbewerb für das Bundeshaus in Bern beteiligt und gewann den 1. Preis mit einem Entwurf im Rundbogenstil. Nach einer Überarbeitung der Beiträge ging der Auftrag an den Werkmeister Jakob Friedrich Studer mit der Vorgabe, die beiden Projekte von Stadler und des zweitplatzierten Felix Wilhelm Kubly zu vereinen. Noch zwei Jahre vorher hatte Stadler ein Projekt für das Bundeshaus im Zürcher Kratzquartier im englisch-gotischen Stil des Westminster Palace vorgestellt.
Bei der Gründung des Zürcher Polytechnikums 1855 wurde Stadler als erfahrener Bautechniker bedrängt, neben Gottfried Semper und dem Hilfslehrer Julius Stadler, seinem Cousin, die Professur für Baukonstruktion zu übernehmen. Bereits nach zwei Jahren beendete er jedoch den Lehrauftrag, weil er sich nicht zum Unterrichten berufen fühlte. Er beteiligt sich 1857 am internationalen Wettbewerb für den Neubau des Polytechnikums und erhielt den 3. Preis hinter den Projekten von Kubly und Joseph Caspar Jeuch. Die parallel zur offiziellen Jury tagende Jury des Schweizerischen Ingenieur- und Architektenvereins setzte Stadlers Projekt auf den 1. Rang. Schliesslich wurde der Auftrag direkt an Gottfried Semper und den Staatsbauinspektor Johann Caspar Wolf vergeben.
Bei seinen späten Werken erahnt man noch einmal die Inspiration durch seine vielen Reisen. Sein eigenes Haus an der Zürcher Bahnhofstrasse (abgebrochen) orientierte sich an neuesten Berliner Strömungen. Maurische Elemente aus Spanien finden sich bei der benachbarten 1864 gebauten Marienburg (1900 abgebrochen) und neubarocke Vorbilder aus Frankreich bei der 1867 gebauten Villa Windegg (heute Bellerivestrasse 10).
Paul Bissegger
Zitierweise: Paul Bissegger, Bestandsbeschrieb Ferdinand Stadler, in: Website gta Archiv / ETH Zürich, Dezember 2023, archiv.gta.arch.ethz.ch/nachlaesse-vorlaesse/ferdinand-stadler
© gta Archiv / ETH Zürich und der Autor, alle Rechte bleiben vorbehalten. Dieses Werk darf für nichtkommerzielle, pädagogische Zwecke kopiert und weiterverbreitet werden, wenn die Erlaubnis des Autors und der Inhaber der Nutzungsrechte erteilt ist. Für die Genehmigung wenden Sie sich bitte an das gta Archiv.
Bestand
- Pläne zu 12 Bauten und Projekten
Ausgewählte Literatur
- August Stadler, Ferdinand Stadler, in: Christliches Kunstblatt, 1. Februar 1871.
- Rudolf Heinrich Hofmeister, Das Leben des Architekten Ferdinand Stadler, Zürich 1872 (Neujahrsblatt der Künstlergesellschaft in Zürich).
- Peter Meyer, Das Projekt für einen Bundespalast in Zürich und sein Architekt Ferdinand Stadler, in: Schweizerische Bauzeitung 67 (1949), Nr. 15, S. 209–212.
- Ferdinand Stadlers letztes Haus in Zürich, in: Neue Zürcher Zeitung, 21. Oktober 1963, Abendausg., Bl. 4 (gez. « B. C.»).
- H. Gschwind, Ferdinand Stadler und die Augustinerkirche, in: Neue Zürcher Zeitung, 30. Oktober 1963, Abendausg., Bl. 5.
- Dorothea Christ, Die St. Elisabethenkirche in Basel. Aus Anlass des 100jährigen Bestehens des Gotteshauses, 5. Juni 1964, Basel 1964.
- Andreas Hauser, Ferdinand Stadler. Beteiligungen an ausländischen Wettbewerben, in: Unsere Kunstdenkmäler 23 (1972), Nr. 4, S. 221–238.
- Andreas Hauser, Ferdinand Stadler, 1813–1870. Ein Beitrag zur Geschichte des Historismus in der Schweiz, Zürich 1976.
- Jürg Davatz u. a., Die Stadtkirche Glarus 1861–1999. Ein Hauptwerk von Ferdinand Stadler und des Historismus in der Schweiz, Glarus 2000.
- Regula Michel, Ferdinand Stadler, in: Historisches Lexikon der Schweiz, 2012, https://hls-dhs-dss.ch/de/articles/019966/2012-02-24.
- Martin Tschanz, Die Bauschule am Eidgenössischen Polytechnikum, Zürich 2015.