Hans Conrad Stadler (1788–1846)

Geb. 13. Februar 1788 in Zürich, gest. 13. Januar 1846 in Zürich

Hans Conrad Stadler war die dominierende Gestalt unter den klassizistischen Architekten Zürichs und Dank seiner Ausbildung weit über Zürich hinaus ein gefragter Architekt. Stadler stammte aus einer alteingesessenen Zürcher Familie. Der Grossvater Hans Conrad (1712–1774) und der Vater Hans Conrad (1752–1819) waren beide Zimmermeister und daneben auch Werkmeister Holz (Staatsbauinspektor). Der ältere Bruder Hans Caspar Stadler (1786–1867) führte diese Tradition weiter, Hans Conrad hingegen musste nach dem Willen des Vaters eine Maurerlehre antreten. Aufgewachsen sind die beiden Brüder mit vier Schwestern im Werkmeisterhaus am Werkhof im Kratz-Quartier.

Da es damals in der Schweiz noch keine akademische Ausbildung gab, besuchte Stadler 1806 die 1800 gegründete private Bauschule von Friedrich Weinbrenner in Karlsruhe. Nach nur einem Jahr zog er weiter nach Genf, um seine Französischkenntnisse zu verbessern und danach in Paris im Atelier von Pierre-François-Léonard Fontaine zu arbeiten, einem Hauptvertreter des Empire-Stils. 1810 war er an der École des Beaux-Arts im Atelier von Pierre-Alexandre Vignon eingeschrieben.

1811 ergab sich die Möglichkeit, in Zürich das Baugeschäft von Hans Conrad Bluntschli (1737–1812), dem Erbauer des Helmhauses, zu übernehmen. Stadler kehrte nach Zürich zurück, nicht ohne vorher noch eine Reise nach Wien, Ungarn und (über die Steiermark) nach Venedig und Mailand zu machen. In Zürich legte er die Meisterprüfung ab und führte ab März 1812 sein eigenes Baugeschäft.

Seine ersten öffentlichen Aufträge waren der Entwurf für den Wiederaufbau des 1804 im Bockenkrieg abgebrannten Vogteischlosses Wädenswil und das Projekt für eine neue evangelisch-reformierte Kirche in Albisrieden. Seinem Entwurf für eine neue Polizei-Hauptwache auf der Gemüsebrücke wurde das Projekt seines Mentors Hans Caspar Escher (1775–1859) vorgezogen. Escher war Politiker und 1804 Mitgründer der Firma Escher, Wyss und Cie. In jungen Jahren hatte er zusammen mit Friedrich Weinbrenner Italien bereist.

Dank seiner Ausbildung wurde Stadler bald zu einem gefragten Mann in der ganzen Deutschschweiz. Unter anderem war er Experte des Kantons Basel für die Schätzung des Gebäudebestandes, der bei der Teilung in zwei Halbkantone gerecht ausgeschieden werden musste. Für Oberst Carl Pfyffer lieferte er Entwürfe für einen englischen Landschaftsgarten rund um das Luzerner Löwendenkmal. Für den Freiburger Staatsrat entwarf er einen Obelisken, der an die Murtenschlacht erinnert, und in St. Gallen baute die katholische Administration eine bischöfliche Wohnung im Klostergebäude nach seinen Plänen, 1826 in reinstem Empire ausgeführt.

Zwischen 1822 und 1826 realisierte Stadler die katholische Sankt-Martin-Kirche in Galgenen nach dem Basilika-Schema der Vorarlberger Kirchen, adaptierte aber in der Ausgestaltung die klassizistische Kirche Saint-Philippe-du-Roule in Paris (1784, Jean-François Chalgrin). Dieser Auftrag eröffnete ihm Kontakte zu den Katholiken in St. Gallen. 1831 wurde er mit der Generalplanung des Klosterhofes betraut. Der Kunsthistoriker Albert Knöpfli bezeichnete diese als eine der wenigen städtebaulichen Leistungen europäischen Ranges, die im 19. Jahrhundert in der Schweiz verwirklicht wurden.

Von den privaten Bauten sind zuerst die Villen zu nennen: die erste errichtet 1824 in Brugg für den Textilhändler Bernhard Fischer (abgebrochen 1958), zwei Jahr später entstand das Stadthaus für den Textilhändler J. J. Karrer in St. Gallen, 1828 schliesslich das Kronentor in Zürich, das Stadler auf eigene Rechnung ausführte und anschliessend dem Seidenfabrikanten Martin Escher verkaufte. 1829 folgte der Sihlgarten für den Seidenhändler Daniel Bodmer (abgebrochen 1947), 1837 die Villa Schönbühl für den Seidenhändler Hans Conrad Pestalozzi, 1843 der Thalgarten für den Bankier Hans Conrad von Orelli (abgebrochen 1947). Der Sihlgarten ist einer der besten Entwürfe Stadlers. Mit dem gedrungenen Kubus und der feinen Gliederung der Flächen gelang ihm seine persönliche Ausprägung des Klassizismus. Bedeutend ist das Projekt auch durch die Gartengestaltung, dem ersten englischen Landschaftsgarten in Zürich.

1824 plante Stadler eine Erweiterung des Schinznacher Bades um 58 Kabinen und 40 Gästezimmer, die er in einem Halbkreis vor die bestehende Anlage setzte. Die technischen Installationen dazu wurden von der Firma Fairbairn & Lillie aus Manchester geliefert.

Stadlers Hauptwerk ist die im Auftrag des Regierungsrates geplante Post in Zürich. Etwa zur gleichen Zeit hatte das kaufmännische Direktorium beim österreichischen Ingenieur Alois Negrelli (1799–1858) ein Gutachten zum Standort einer neuen Brücke über die Limmat bestellt. Negrelli favorisierte die Stelle unterhalb des Helmhauses, die aber den Nachteil hatte, dass der Verkehr durch die enge Waaggasse weitergeleitet werden musste. Stadler hatte die geniale Idee, die neue Strasse durch den Werkhof zu legen und das Postgebäude direkt an dieser Strasse zu errichten. Der Bau wurde am 31. Oktober 1838 mit einem Festakt im gegenüberliegenden, eben erst eröffneten Hotel Baur en Ville eingeweiht. Die neue Poststrasse wurde für kurze Zeit zum Zentrum der Stadt.

Für die gleichzeitig nach einem Entwurf Negrellis gebaute Münsterbrücke übernahm Stadler zusammen mit dem Baumeister Jakob Locher und dem Steinmetz Heinrich Staub die Ausführung. Die Einweihung mit viel Volk und Feuerwerk wurde am 20. August 1838 gefeiert.

Paul Bissegger

Zitierweise: Paul Bissegger, Bestandsbeschrieb Hans Conrad Stadler, in: Website gta Archiv / ETH Zürich, Dezember 2023, archiv.gta.arch.ethz.ch/nachlaesse-vorlaesse/hans-conrad-stadler
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Bestand


  • Pläne und Entwürfe zu drei Bauten (Neuer Thalhof, Wohnhaus Fischer, unidentifiziertes Objekt)

In anderen Beständen des gta Archivs

Andere Archive mit Unterlagen von H. C. Stadler
  • Kirchgemeinde Neumünster Zürich
  • Stadtarchiv Zürich


Ausgewählte Literatur


  • Johann Caspar Bluntschli, Hans Conrad Stadler von Zürich, Zürich 1847 (Neujahrsblatt der Künstlergesellschaft).
  • Hans Hoffmann, Die klassizistische Baukunst in Zürich, Zürich 1933 (Mitteilungen der Antiquarischen Gesellschaft in Zürich).
  • Albrecht Krayer, Die Baumeister- und Künstlerfamilie Stadler in Zürich, Zürich 1948.
  • Bruno Carl, Klassizismus 1770–1868, Zürich 1963.
  • Hans Martin Gubler und Hanspeter Rebsamen, Beiträge zur Baumeister-Familie Stadler von Zürich, in: Zürcher Chronik 40 (1972), S. 75–79.
  • Benno Schubiger, Die Vollendung des St. Galler Klosterplatzes im 19. Jahrhundert. Die Planungen und Bauten von Hans Conrad Stadler und Felix Wilhelm Kubly, in: Zeitschrift für schweizerische Archäologie und Kunstgeschichte 37 (1980), Nr. 2, S. 123–144.
  • Hans Martin Gubler, Karlsruhe und die Schweizer Architektur im frühen 19. Jahrhundert. Zur grenzüberschreitenden Wirkung Friedrich Weinbrenners, in: Unsere Kunstdenkmäler 40 (1989), Nr. 1, S. 31–42.
  • Andreas Hauser, Das öffentliche Bauwesen in Zürich. Das städtische Bauamt 1798–1907, Zürich 2000.
  • Andreas Hauser, Das öffentliche Bauwesen in Zürich. Das kantonale Bauamt 1798–1895, Zürich 2001.
  • Paul Bissegger, Der goldene Ring in Zürich, Otelfingen 2010.
  • Paul Bissegger, Die Kirche Zürich-Albisrieden von 1818, Otelfingen 2012.
  • Paul Bissegger, Ausbildung anhand der Einlagen im Malerbuch, Zürich 2009 (nicht publiziert).
  • Paul Bissegger, Werkhof im Seefeld, Zürich 2011 (nicht publiziert).
  • Regula Michel, «Hans Konrad Stadler», in: Historisches Lexikon der Schweiz, 2012 (https://hls-dhs-dss.ch/de/articles/019965/2012-02-24).
  • Paul Bissegger, Handwerk, Zunft und Gewerbefreiheit. Zürich 2015 (nicht publiziert).