Im Schulhausbau – mit den frühen Beispielen der Schule Letzi (1954–1956) und der Schule Auhof (1956–1958) in Zürich – entwickelte Gisel neue typologische Lösungen, die er später mit dem Schulzentrum Mühleholz (1970–1973) und der Liechtensteinischen Ingenieurschule (1988–1999) in Vaduz erweiterte. Zahlreiche Kirchen und Gemeindezentren, wie in Effretikon (1958–1961), Stuttgart-Sonnenberg (1964–1966) oder Steinhausen (1978–1981) behaupten sich durch unkonventionelle Lösungen und eine hohe Plastizität der Baukörper. Die Kirchen in Effretikon und Reinach (Wettbewerb 1958, ausgeführt 1961–1963) sowie das Schulhaus in Engelberg (Wettbewerb 1961, ausgeführt 1965–1967, Umbau 1994–1998) weisen eine ästhetische Nähe zum Brutalismus auf, unterscheiden sich aber grundlegend hinsichtlich des Gestaltungsprozesses, den Gisel nachdrücklich als einmaligen künstlerischen Vorgang beschrieb: «Jedes Haus ist eine Plastik.»
Auch spätere stilistische Einflüsse der «Tessiner Schule» wirken nur oberflächlich und treten hinter Gisels Vorstellung von Architektur als einem plastischen Prinzip zurück. Neben dem Bauen für die Öffentlichkeit und die Gemeinschaft – zu dem auch Gisels Beitrag an der Schweizerischen Landesausstellung Expo 64 in Lausanne gehört – ist es der Wohnungsbau, mit dem sich Gisel bis heute stark identifiziert. Die Rücksicht auf die Bedürfnisse der Nutzer und die Wahl der angemessenen Materialien und Techniken für individuelle Lösungen sind hier sein Hauptanliegen. Der frühe Geschosswohnungsbau an der Hegibachstrasse in Zürich (1958–1960) hatte ihm den Auftrag für die Planung eines Sektors des Märkischen Viertels in Berlin eingetragen (1965–1969). In dieser Zeit (1966–1971) führte Gisel ein zweites Atelier in Berlin. In kleinerem Massstab realisierte er die Wohnbebauung Friesenberghalde für die Familiengenossenschaft Zürich (1967–1973), den Geschosswohnungsbau Wettingerwies (1977–1979) oder das Städtische Altersheim Stampfenbach (1985–1988, erweitert 2006) in Zürich.
In Ernst Gisels über 60 Jahre währender Architektentätigkeit entstanden zahlreiche Bauten in der Schweiz, in Deutschland, Österreich und im Fürstentum Liechtenstein, darunter auch seit den 1980er Jahren vermehrt Grossprojekte wie das Rathaus in Fellbach (1983–1986), das Kundenzentrum der Stadtwerke in Frankfurt am Main (1986–1990) oder das World Trade Center in Zürich (1991–1995). Seit den 1990er Jahren war das Büro auch mit Erweiterungen eigener Bauten aus den 1950er und 1960er Jahren betraut, wie dem Kongresshaus Davos (1988–1990), dem Parktheater Grenchen (1994/95) und dem Gemeindezentrum der Evangelisch-reformierten Kirche Effretikon (1994/95).
Bestand
Der Nachlass Ernst Gisels enthält Pläne, Akten, Fotografien, Modelle, Wettbewerbsunterlagen und Möbelentwürfe zu rund 430 Projekten. Das Material wurde in seiner originalen Ordnung belassen und projektweise erfasst. Die Baumaterialsammlung des Atelier Gisel befindet sich in der Materialsammlung der Baubibliothek, ETH Zürich.
Im Einzelnen umfasst der Bestand:
- 269 Schachteln (35 × 25 × 12 cm) Pläne und Akten
- 468 Archivschachteln Pläne und Akten
- 233 Rollen Planmaterial
- 147 Flachschachteln (94 × 64 × 4 cm) Pläne
- 103 Bändelmappen Pläne
- 100 Modelle
- 25 Planschubladen Wettbewerbsunterlagen
- 12 Hängeregisterschubladen mit Fotografien, Typoskripten und Zeitschriftenartikeln zu einzelnen Bauten und Projekten
- 3 Laufmeter Zeitschriften
- 1,5 Laufmeter Planbücher
- 1 Laufmeter Abrechungsbücher
- 1 Laufmeter Unterlagen zu Preisgerichten
- 30 Schachteln Diapositive
- diverses Material zu eigenen Ausstellungen (Tafeln, Broschüren, Kataloge)