Ueli Roth ist einer der frühen Schweizer Stadt- und Raumplaner mit akademischer Ausbildung, der die wissenschaftliche Theorie und Methodik auch auf einer gestalterischen Ebene in konkrete Planungsprojekte zu überführen verstand. Durch sein Studium und seine Lehrtätigkeit in den USA trug er internationale Diskurse zu Städtebau, zu Stadt- und zu Raumplanung in die Schweiz und schuf hier ein wegweisendes Werk.
Sammlungsdaten Vorlass Signatur: NSL 28
Ulrich (Ueli) Konrad Roth geb. 18. April 1935 in Aarau
Aufgewachsen in Zofingen, studierte Roth von 1954 bis 1959 bei Friedrich Hess, Walter Henne sowie William Dunkel an der ETH Zürich Architektur und diplomierte 1959 bei Alfred Roth. Bereits als angehender Architekt interessierte er sich für Städtebau, Stadt- und Raumplanung. 1958 hatte er sich im Rahmen eines Praktikums in Paris bei Jean Vergnaud beim Entwurf für eine Satellitenstadt erstmals in der Praxis mit Stadtplanung auseinandergesetzt. Auf Empfehlung von Alfred Roth erweiterte er diese Kenntnisse an der Graduate School of Design an der Harvard University in Cambridge, Massachusetts, wo er das durch José Luis Sert neu eingeführte Studienprogramm «Urban Design» belegte. Dort kam er in Kontakt mit grundlegenden aktuellen Diskursen zu Architektur, Landschaftsarchitektur, Städtebau und Stadtplanung.
In den USA vertiefte Roth in den folgenden Jahren seine Interessen für Stadt- und Raumplanung. Er arbeitete in verschiedenen Büros und befasste sich mit gestalterischen Fragen bei der Planung von Park- und Freeways sowie mit Stadterneuerungs- und Wohnbauprojekten, darunter auch einem Erneuerungsplan für Nashville, Tennessee. 1963 zog Roth nach Berkeley und lehrte, berufen durch Charles Moore, als Assistenzprofessor für Städtebau an der University of California (1963–1966). Dort führte er unter anderem gemeinsam mit Donald Reay einen Kurs über Probleme der Dichte in städtischen Gebieten ein.
Ueli Roth, Bahnhof Stettbach, Dübendorf, 1982–1990
1966 kehrte Roth in die Schweiz zurück und gründete in Zürich ein eigenes Büro für Raumplanung, Umweltkoordination, Städtebau und Architektur (Büro ur). Die Architektur sollte nur einen kleinen Teil seines Werks ausmachen. Zu erwähnen sind die Projektierung einer Terrassensiedlung in Balzers im Fürstentum Liechtenstein (1969–1970), der gemeinsam mit Walter Schindler verfasste prämierte Wettbewerbsbeitrag für den Hauptbahnhof Zürich (1979, 2. Rang) oder die S-Bahnstation Dübendorf-Stettbach (1982–1990). Raumplanung, Umweltkoordination und Städtebau hingegen blieben über Jahre die zentralen Themen, die Roth mit seinem Büro bearbeitete. Daneben wirkte er lange Zeit als Dozent an der ETH Zürich (1967–1982), wo er mit seinen systematisierten Vorlesungen zu Städtebau, Stadtplanung und Siedlungsbau sowie (gemeinsam mit Lucius Burckhardt) zu städtischer Dichte thematisch an seine Lehraufträge in den USA anknüpfte. Roth war Mitglied beim Bund Schweizer Planer (BSP) und engagierte sich bis 2023 bei der Zürcher Studiengesellschaft für Bau- und Verkehrsfragen (ZBV), zeitweise als ihr Präsident.
Im Auftrag der Regio Basiliensis, einer bis heute bestehenden Organisation zur Koordination der räumlichen Entwicklung der deutsch-französisch-schweizerischen Grenzregion Basel, erarbeitete das Büro ur ab 1967 wegweisende Planungsgrundlagen für Bevölkerung, Besiedlung, Infrastruktur, Energie und Verkehr sowie Luftfahrt und Lärm. 1970 wurde Ueli Roth zum ersten Leiter der Internationalen Koordinationsstelle (IKS) der Regio Basiliensis gewählt (1970–1974) und blieb ihr als ständiger planungstechnischer und wissenschaftlicher Berater sowie als Umweltbeauftragter bis 1991 verbunden. Als Leiter der IKS gelang es ihm, diese als wirkungsvolles planerisches Instrument von Grund auf zu gestalten und zukunftsweisende Planungsthemen zu etablieren.
Zu Beginn der Ölpreiskrise übernahmen Roth und der Physiker Theo Ginsburg Mitte der 1970er Jahre im Auftrag der Deutschen Bundesforschungsanstalt für Landeskunde und Raumordnung ein Forschungsprojekt, das die Wechselwirkungen zwischen Energieversorgung und Siedlungsentwicklung untersuchte (1975–1980). In der Folge wurde Roths Büro mit einer Reihe grosser Forschungsaufträge in den Bereichen Energie, Raumordnung, Städtebau, Infrastruktur und Umwelt betraut.
In den 1980er Jahren führten wirtschaftsstrukturelle Veränderungen in der Schweiz zu neuen planerischen Herausforderungen. Mitten in den heftig geführten Debatten über die Revision der Zürcher Bau- und Zonenordnung (BZO) übernahm Roth die Planung für die Umwandlung einer rund sechzig Hektare umfassenden Industriezone nördlich des Bahnhofs Oerlikon in ein neues durchmischtes Stadtquartier (Zentrum Zürich Nord, 1988–2010). Wegweisend für Zürich war insbesondere die von Roth entwickelte planerische Kooperation mehrerer privater Grundeigentümer mit Stadt und Kanton Zürich sowie den Schweizerischen Bundesbahnen (SBB). Gelingen konnte das Projekt aber vor allem dank einer von der städtischen BZO-Revision weitgehend unabhängigen Sondernutzungsplanung und dank einer erstmals in der Schweizer Planungsgeschichte entwickelten Systematik, um Grundeigentumsveränderungen für Infrastrukturbauten wie Strassen, Plätze oder Pärke durch Interessenausgleich und Mehrwertabschöpfung (fast) ohne monetäre Abgeltung zu regeln.
Ab 1989 folgten weitere grosse Aufträge für die Transformierung ehemaliger Industrieareale in dichte städtische Quartiere, bei denen Roth die Planungsprozesse für die Grundeigentümer federführend steuerte. Zu den bedeutendsten Mandaten zählen die Planung zur Entwicklung des Stammareals der Asea Brown Boveri in Baden (Baden Nord, 1989–1999) oder das Stadterneuerungsprojekt für das zentral beim Zürcher Bahnhof Hardbrücke gelegene Gelände der ehemaligen Zahnradfabrik Maag (Maag Areal Plus, 1998–2013).
Der Bestand enthält Skizzen, Pläne, Fotografien und schriftliche Zeugnisse zu Ueli Roths Planungen, zu Bauten und Entwürfen sowie zu seinen Lehrtätigkeiten in den USA und in der Schweiz. Ein umfangreiches Konvolut beinhaltet eine Foto- und Diasammlung, welche Roths Biografie, seine Reisen und Interessen betrifft.
12 Laufmeter Regale mit Archivschachteln und Ordnern
12 Laufmeter Schublade mit Hängeregistern
In anderen Archiven
Weitere Unterlagen die Planung Zentrum Zürich Nord betreffend befinden sich im Archiv des Ortsgeschichtlichen Vereins Oerlikon (OVO) in Zürich. Im Stadtarchiv Baden befinden sich ausserdem Unterlagen zur Planung Baden Nord.
Eigene Schriften
Elemente der Zeitarchitektur. Photo-Studienreise eines jungen Architekten, in: du 20 (Nov. 1960), Nr. 237, S. 1–47.
Louis Kahn und die Medical Towers in Philadelphia, in: Werk 49 (1962), Nr. 1, S. 22–25.
Amerikanischer Städtebau am Beispiel Philadelphias, in: Werk 49 (1962), Nr. 5, S. 149–160.
Nashville. Neuplanung einer amerikanischen Hauptstadt, in: Werk 51 (1964), Nr. 4, S. 141–146.
Amerikanische Architektur – heute, in: du 24 (Juni 1964), Nr. 280, S. 16–41 (Fotografien).
Das San Francisco Bay Area Rapid Transit System, in: Werk 53 (1966), Nr. 5, S. 182–190.
Wurster Hall, College of Environmental Design, Berkely, California USA, in: Werk 54 (1967), Nr 1, S. 1–23.
Verflechtung und Entflechtung, in: Werk 54 (1967), Nr. 10, S. 653–658.
Diverse Beiträge sowie sämtliche Fotografien und Illustrationen in: du 27 (Okt. 1967), Nr. 320: Im Reich der gefiederten Schlange. Kunst und Städtebau im präkolumbianischen Mexiko und Guatemala, S. 758–759 (Plattformen im Raum), 760–818 (Texte und Pläne zu einzelnen Ruinenstätten), 834–837 (Reisen in Zentralamerika).
Stadtplanung und Siedlungsbau. Unterlagen zur Vorlesung an der ETH, Zürich 1968.
Gesichtsfeld in Bewegung, in: Werk 56 (1969), Nr. 9, S. 598–604.
Amerikanischen Bürgern wird vermehrte Einflussnahme auf Autobahnentscheide gewährt, in: Werk 56 (1969), Nr. 9, S. 605–607.
Landesplanerische Leitbilder der Schweiz, in: Schweizerische Bauzeitung 89 (1971), Nr. 28, S. 712–719.
Die internationale Koordination der Planung in der Regio Basiliensis. Entstehung, Ziele, Methoden in: Werk 59 (1972), Nr. 9, S. 497–506.
Chronologie der Schweizerischen Landesplanung, in: Werk 59 (1972), Nr. 10, S. 604–608.
Bewertung von Lösungsvarianten in Planung und Städtebau, in: Schweizerische Bauzeitung 91 (1973), Nr. 42, S. 1029–1032.
Energie und Siedlungsplanung, in: Bauen + Wohnen 31 (1977), Nr. 7–8, S. 289–293.
Chronik der schweizerischen Landesplanung, Beilage zu DISP. Dokumente und Informationen zur Schweizerischen Orts- Regional- und Landesplanung 56 (1980).
Wechselwirkungen zwischen der Siedlungsstruktur und Wärmeversorgungssystemen, in: Schweizer Ingenieur und Architekt 99 (1981), Nr. 44, S. 970–983 (mit Fritz Häubi).
S-Bahn-Station Zürich-Stettbach, in: Werk, Bauen + Wohnen 78 (1991), Nr. 3, S. 68.
Von der autogerechten zur menschengerechten Stadt, in: Ferrum 65 (1993), S. 42–49.
Neu-Oerlikon. Ein modernes Planungsmärchen? 1988–2010, Zürich 2010.
Wechselwirkung zwischen Energieversorgung und Besiedelung. Forschungen in den Siebzigerjahren, in: Collage. Zeitschrift für Planung, Umwelt und Städtebau 4 (1996), S. 17–18.