Peter Steiger (1928–2023)
Geb. 27. November 1928 in Zürich, gest. 29. Juli 2023
Peter Steiger wurde in eine Architekten- und Künstlerfamilie geboren. Seine Eltern Rudolf Steiger und Flora Steiger-Crawford waren in der Schweiz und international stark in der Szene der architektonischen und künstlerischen Avantgarde der 1920er und 1930er Jahre vernetzt. Im Geburtsjahr Peter Steigers fand der Gründungskongress der CIAM in La Sarraz statt, in seine ersten Lebensjahre fiel die Realisierung vieler ikonischer Bauten der Schweizer Moderne, an denen seine Eltern mitunter beteiligt waren, wie etwa das Sanatorium Bella Lui in Montana, das Zett-Haus und das Kongresshaus in Zürich. Die Eltern gehörten ausserdem zu den Pionieren der Schweizer Regional- und Verkehrsplanung. Es schien somit folgerichtig, dass Peter Steiger den Architektenberuf ergreifen würde. Bereits als Jugendlicher arbeitete er in der Architektengemeinschaft für das Kantonsspital Zürich (AKZ). Offenbar legte Max Ernst Haefeli im Rahmen dieses Projekts das Fundament für Steigers Verständnis von Entwurf und Konstruktion. Die Affinität zu technischen und organisatorischen Fragen gab ihm sein Vater mit. Ein Aufenthalt bei Frank Lloyd Wright in Taliesin West 1950 und 1951 schloss seine praktische und experimentelle Ausbildung ab.
Zurück in Zürich begann eine Phase der Zusammenarbeit mit seinem Vater, seit 1969 auch mit seinem Bruder Martin Steiger, deren umfangreichstes Ergebnis die Planung des Teilchenbeschleunigers CERN in Genf (1954–1960) war. Der Werkkatalog dieser Jahre ist dominiert von Forschungskomplexen und Industrieanlagen (INRESCOR Schwerzenbach, 1964, IBM Rüschlikon, 1959–1962, AMG Wabern, 1962–1966, Gurit Freienbach, 1964–1965, Kernforschungsanlage Jülich, 1967–1968, GSI Darmstadt, 1970–1975) sowie der Erweiterung des Kinderspitals Zürich (1953–1968). Daneben führte Steiger in Erlenbach die Villen Nebel (1958–1960) und Blum (1967–1968) aus, die den Wright’schen Einfluss klar erkennen lassen.
Die Auseinandersetzung mit Industriebauten mündete in eine verstärkte Beschäftigung mit der modularen Bauweise, die Steiger in industriellen Grossbauten (Zentralmagazin Swissair Kloten, 1965–1967) und Grosswohnsiedlungen (Sonnhalde Adlikon, 1968–1973, Langgrüt Zürich, 1968–1972, Webermühle Neuenhof, 1973–1976, Avanchet-Parc Genf, 1969–1977) umsetzte. Letztere brachten ihn mit dem Unternehmer Ernst Göhner zusammen, für den er zusammen mit Otto Glaus einen Wohnungstyp (Produktionsserie G4, 1972) entwickelte.
Eine Zäsur brachte die Ölkrise 1973. Wie viele Architekten wandte sich Steiger einer mehr theoretischen Beschäftigung zu und nahm seine Lehrtätigkeit an der Technischen Hochschule Darmstadt auf, die ihm die Möglichkeit verschaffte, Forschungsprojekte, die er im Rahmen seiner Büros Steiger Partner AG (Zürich) und Intep AG (Zürich, München) entwickelte, in einen akademischen Zusammenhang zu stellen. Zugleich wandte er sich dem Thema des ökonomischen und ökologischen (ressourcenschonenden) Einsatzes von Baustoffen und der energieverbrauchsbewussten Planung («Plenarisierung» gemäss seinem Markenzeichen PLanung ENergie ARchitektur) zu. In diesem Kontext realisierte er in Darmstadt eine Analyse der Gebäude der Hochschule und zusammen mit Studenten ein Selbstbauprojekt für Atelierräume, die die passive Sonnenenergie nutzten. Diese Erfahrungen konnte er für viele spätere Projekte (u. a. Wohnsiedlung Chimlibach Volketswil, 1985, Siedlung Stallenmatt Oberwil, 1987–1991) und seine umfangreiche Gutachtertätigkeit bei der ökologischen Ausrichtung von Grossanlagen und Siedlungen (u. a. Messestadt München-Riem, 1995–2003) nutzen.
In eine Niederlage mit weitreichenden Folgen mündete seine Weiterentwicklung des Kongresshauses Zürich (1976–1982). Unter weitgehendem Ausschluss der Öffentlichkeit wurde der Ernst Göhner AG der Auftrag für ein eigenes Projekt erteilt, das die Vorarbeit Steigers sichtlich verwertete, jedoch ohne dessen Sorgfalt im Umgang mit dem baulichen Erbe. Untersuchungen stellten 1985 grösste Unregelmässigkeiten bei der Finanzierung und Honorierung fest, in die Bauvorsteher und Stadtpräsident persönlich verwickelt waren, was zu einem politischen Erdbeben und dem Verlust der bürgerlichen Mehrheit in Zürichs Stadtregierung bei den Wahlen 1986 und 1990 führte. Unter Steigers Mitwirkung wurde das historische Kongresshaus in einer Volksabstimmung 2008 gerettet. Seit 2017 werden die Ergänzungen der 1980er Jahre rückgebaut.
Steiger begleitete Planung und Lehre durch eine intensive publizistische Tätigkeit vor allem auf dem Gebiet Bauen und Energie. In den 1980er und 1990er Jahren entwickelte er einige Systemmöbel und knüpfte damit abermals an das Erbe seiner architektonischen «Väter», insbesondere Werner M. Mosers, an. Die Affinität zur Musik (Steiger hatte um 1950 ein Musikstudium begonnen, aber nicht zu Ende geführt) brachte das Projekt einer mobilen Oper (1993–1998) und einige Bühnenbilder (1990er Jahre) hervor.
Alex Winiger
Zitierweise: Alex Winiger, Bestandsbeschrieb Peter Steiger, in: Website des gta Archivs / ETH Zürich, November 2018, archiv.gta.arch.ethz.ch/nachlaesse-vorlaesse/peter-steiger
© gta Archiv / ETH Zürich und der Autor, alle Rechte bleiben vorbehalten. Dieses Werk darf für nichtkommerzielle, pädagogische Zwecke kopiert und weiterverbreitet werden, wenn die Erlaubnis des Autors und der Inhaber der Nutzungsrechte erteilt ist. Für die Genehmigung wenden Sie sich bitte an das gta Archiv.
24 Laufmeter Pläne, Akten, Fotos, Vortragsunterlagen, Korrespondenz zu Wohnbauten, Spitalplanung, Bauen und Energie, Möbel- und Bühnendesign, Hochschullehre
Weitere Unterlagen in den Beständen Haefeli Moser Steiger, Planpartner AG, Regionalplanung Zürich und Umgebung RZU
Eigene Schriften
Sekundärliteratur
Peter Steiger wurde in eine Architekten- und Künstlerfamilie geboren. Seine Eltern Rudolf Steiger und Flora Steiger-Crawford waren in der Schweiz und international stark in der Szene der architektonischen und künstlerischen Avantgarde der 1920er und 1930er Jahre vernetzt. Im Geburtsjahr Peter Steigers fand der Gründungskongress der CIAM in La Sarraz statt, in seine ersten Lebensjahre fiel die Realisierung vieler ikonischer Bauten der Schweizer Moderne, an denen seine Eltern mitunter beteiligt waren, wie etwa das Sanatorium Bella Lui in Montana, das Zett-Haus und das Kongresshaus in Zürich. Die Eltern gehörten ausserdem zu den Pionieren der Schweizer Regional- und Verkehrsplanung. Es schien somit folgerichtig, dass Peter Steiger den Architektenberuf ergreifen würde. Bereits als Jugendlicher arbeitete er in der Architektengemeinschaft für das Kantonsspital Zürich (AKZ). Offenbar legte Max Ernst Haefeli im Rahmen dieses Projekts das Fundament für Steigers Verständnis von Entwurf und Konstruktion. Die Affinität zu technischen und organisatorischen Fragen gab ihm sein Vater mit. Ein Aufenthalt bei Frank Lloyd Wright in Taliesin West 1950 und 1951 schloss seine praktische und experimentelle Ausbildung ab.
Zurück in Zürich begann eine Phase der Zusammenarbeit mit seinem Vater, seit 1969 auch mit seinem Bruder Martin Steiger, deren umfangreichstes Ergebnis die Planung des Teilchenbeschleunigers CERN in Genf (1954–1960) war. Der Werkkatalog dieser Jahre ist dominiert von Forschungskomplexen und Industrieanlagen (INRESCOR Schwerzenbach, 1964, IBM Rüschlikon, 1959–1962, AMG Wabern, 1962–1966, Gurit Freienbach, 1964–1965, Kernforschungsanlage Jülich, 1967–1968, GSI Darmstadt, 1970–1975) sowie der Erweiterung des Kinderspitals Zürich (1953–1968). Daneben führte Steiger in Erlenbach die Villen Nebel (1958–1960) und Blum (1967–1968) aus, die den Wright’schen Einfluss klar erkennen lassen.
Die Auseinandersetzung mit Industriebauten mündete in eine verstärkte Beschäftigung mit der modularen Bauweise, die Steiger in industriellen Grossbauten (Zentralmagazin Swissair Kloten, 1965–1967) und Grosswohnsiedlungen (Sonnhalde Adlikon, 1968–1973, Langgrüt Zürich, 1968–1972, Webermühle Neuenhof, 1973–1976, Avanchet-Parc Genf, 1969–1977) umsetzte. Letztere brachten ihn mit dem Unternehmer Ernst Göhner zusammen, für den er zusammen mit Otto Glaus einen Wohnungstyp (Produktionsserie G4, 1972) entwickelte.
Eine Zäsur brachte die Ölkrise 1973. Wie viele Architekten wandte sich Steiger einer mehr theoretischen Beschäftigung zu und nahm seine Lehrtätigkeit an der Technischen Hochschule Darmstadt auf, die ihm die Möglichkeit verschaffte, Forschungsprojekte, die er im Rahmen seiner Büros Steiger Partner AG (Zürich) und Intep AG (Zürich, München) entwickelte, in einen akademischen Zusammenhang zu stellen. Zugleich wandte er sich dem Thema des ökonomischen und ökologischen (ressourcenschonenden) Einsatzes von Baustoffen und der energieverbrauchsbewussten Planung («Plenarisierung» gemäss seinem Markenzeichen PLanung ENergie ARchitektur) zu. In diesem Kontext realisierte er in Darmstadt eine Analyse der Gebäude der Hochschule und zusammen mit Studenten ein Selbstbauprojekt für Atelierräume, die die passive Sonnenenergie nutzten. Diese Erfahrungen konnte er für viele spätere Projekte (u. a. Wohnsiedlung Chimlibach Volketswil, 1985, Siedlung Stallenmatt Oberwil, 1987–1991) und seine umfangreiche Gutachtertätigkeit bei der ökologischen Ausrichtung von Grossanlagen und Siedlungen (u. a. Messestadt München-Riem, 1995–2003) nutzen.
In eine Niederlage mit weitreichenden Folgen mündete seine Weiterentwicklung des Kongresshauses Zürich (1976–1982). Unter weitgehendem Ausschluss der Öffentlichkeit wurde der Ernst Göhner AG der Auftrag für ein eigenes Projekt erteilt, das die Vorarbeit Steigers sichtlich verwertete, jedoch ohne dessen Sorgfalt im Umgang mit dem baulichen Erbe. Untersuchungen stellten 1985 grösste Unregelmässigkeiten bei der Finanzierung und Honorierung fest, in die Bauvorsteher und Stadtpräsident persönlich verwickelt waren, was zu einem politischen Erdbeben und dem Verlust der bürgerlichen Mehrheit in Zürichs Stadtregierung bei den Wahlen 1986 und 1990 führte. Unter Steigers Mitwirkung wurde das historische Kongresshaus in einer Volksabstimmung 2008 gerettet. Seit 2017 werden die Ergänzungen der 1980er Jahre rückgebaut.
Steiger begleitete Planung und Lehre durch eine intensive publizistische Tätigkeit vor allem auf dem Gebiet Bauen und Energie. In den 1980er und 1990er Jahren entwickelte er einige Systemmöbel und knüpfte damit abermals an das Erbe seiner architektonischen «Väter», insbesondere Werner M. Mosers, an. Die Affinität zur Musik (Steiger hatte um 1950 ein Musikstudium begonnen, aber nicht zu Ende geführt) brachte das Projekt einer mobilen Oper (1993–1998) und einige Bühnenbilder (1990er Jahre) hervor.
Alex Winiger
Zitierweise: Alex Winiger, Bestandsbeschrieb Peter Steiger, in: Website des gta Archivs / ETH Zürich, November 2018, archiv.gta.arch.ethz.ch/nachlaesse-vorlaesse/peter-steiger
© gta Archiv / ETH Zürich und der Autor, alle Rechte bleiben vorbehalten. Dieses Werk darf für nichtkommerzielle, pädagogische Zwecke kopiert und weiterverbreitet werden, wenn die Erlaubnis des Autors und der Inhaber der Nutzungsrechte erteilt ist. Für die Genehmigung wenden Sie sich bitte an das gta Archiv.
Bestand
24 Laufmeter Pläne, Akten, Fotos, Vortragsunterlagen, Korrespondenz zu Wohnbauten, Spitalplanung, Bauen und Energie, Möbel- und Bühnendesign, Hochschullehre
Weitere Unterlagen in den Beständen Haefeli Moser Steiger, Planpartner AG, Regionalplanung Zürich und Umgebung RZU
Ausgewählte Literatur
Eigene Schriften
- Mit Walter Maria Förderer, Stadt von morgen, in: Reinhard Schmid, Das Ende der Städte? Über die Zukunft der menschlichen Umwelt. Strukturen – Systeme – Pro(vo)gramme, Stuttgart 1968.
- Plenar. Planung – Energie – Architektur, Niederteufen 1975.
- Bauen mit dem Sonnen-Zeit-Mass. Zum Nachdenken, Umdenken, Weiterdenken, Karlsruhe 1988. Erweiterte Neuauflage, Freiburg im Breisgau 2018.
- Bauen und Ökologie im Dialog, in: Schadstoffarmes Bauen, Zürich 1989 (SIA-Dokumentation D 046).
- Mit Werner Oechslin, Chancen und Widerstände auf dem Weg zum nachhaltigen Planen und Bauen, Zürich 2009.
- Fliegende Möbel und andere Geschichten, Freiburg im Breisgau 2011.
- Mit Hansruedi Meier, Die Sonnhalde in Adlikon. Entstehungsgeschichte einer Siedlung in Plattenbauweise aus den 70er-Jahren und Ausblick auf das Quartierleben und die Erhaltung der Wohnqualität, Buchs 2014.
- Architektur und Energie, Freiburg im Breisgau 2020
Sekundärliteratur
- Adi Kälin, «Der Architekt Peter Steiger erstellte Bauten am Cern und wurde zum Ökopionier – nun ist der Zürcher im Alter von 94 Jahren gestorben», in: Neue Zürcher Zeitung, 11.8.2023, https://www.nzz.ch/zuerich/zuerich-architekt-peter-steiger-stirbt-im-alter-von-94-jahren-ld.1751210
- Bund Schweizer Architektinnen und Architekten, Peter Steiger [Nachruf], 14.8.2023.
- Köbi Gantenbein, «Dann spiele ich im Himmel Quartett», in: Hochparterre, 18.8.2023.
- Annett Maud Joppien, «Pionier für eine nachhaltige Architektur. Nachruf auf Prof. Peter Steiger (1928–2023), in: Technische Universität Darmstadt, Homepage Fachbereich Architektur, 21.8.2023 (Aufruf am 27.8.2023), https://www.architektur.tu-darmstadt.de/fachbereich/aktuelles_arch/architektur_news_details_161984.de.jsp.
- Fabian Furter, «Peter Steiger 1928–2023», in: werk, bauen + wohnen 12.2023, S. 54.