Jakob Zweifel (1921–2010)

Geb. 29. September 1921 in Wil SG, gest. 27. November 2010 in Zürich

Jakob Zweifel ist 1921 in Wil im Kanton St. Gallen geboren und dort aufgewachsen. Seine eigentlichen Wurzeln liegen aber im Kanton Glarus. Der Bürger von Glarus und Linthal war mit seinem Heimatkanton zeitlebens eng verbunden. In Glarus gründete er 1949 sein erstes Büro, bereits im Jahr danach ein zweites in Zürich. Von hier aus lancierte er seine erfolgreiche Karriere, die ihm auch Aufträge und Reputation im Ausland einbrachte.

Als Vertreter der «Schweizer Moderne der zweiten Generation» – so der Untertitel der 1996 im Verlag Lars Müller erschienenen und von ihm eng begleiteten Monographie – hat sich Zweifel bewusst in eine Tradition gestellt. Bedeutende Exponenten der ersten Generation wie Hans Hofmann und vor allem William Dunkel übten im Studium (1941–1946, Diplom bei Hofmann) und während seiner Assistenzzeit (1946–49, am Lehrstuhl Dunkel) einen prägenden Einfluss auf ihn aus. Dabei ging es weniger um Fertigkeiten oder eine architektonische Richtung. Seine Lehrer vermittelten ihm vielmehr eine Berufsauffassung, die Einsicht, dass ein Architekt eine gesellschaftliche Verantwortung zu übernehmen habe. Zweifel hat sich stets als Generalist verstanden, der das breite Spektrum seines Berufes, seine technischen und künstlerischen Facetten, beherrscht und bei grossen, nur im Teamwork zu leistenden Aufgaben die «Rolle eines Leaders» (Martin Schlappner) sucht.

Zweifel gehört zu den bedeutenden Schweizer Architekten in der zweiten Hälfte des 20. Jahrhunderts. Die selbständige Tätigkeit beginnt 1949 mit der Realisierung einer Arztpraxis in Form eines kleinen Holzpavillons in Ennenda im Kanton Glarus. Einen ersten Höhepunkt markiert das Schwesternhochhaus «auf der Platte» in Zürich (Wettbewerb 1952, Ausführung 1956–1959), dem als erster öffentlicher Auftrag ein Schwesternhaus mit Personalhäusern in Glarus (1950–1953) vorausgegangen war. Als noch nicht Vierzigjähriger fand sich Zweifel bereits in der ersten Reihe der Schweizer Architekten. Dass ihm an der Landesausstellung Expo 64 in Lausanne, der Sektor «Feld und Wald» anvertraut wurde, ist sichtbarer Ausdruck dieses Status. Den Erfolg spiegelt auch die Aufnahme von Partnern bereits 1957 in das Zürcher (Heinrich Strickler) und das Glarner Büro (Willi Marti).

Mit Ausnahme des Kirchenbaus hat Zweifel in allen Bauaufgaben reüssiert; Schwerpunkte sind der Wohn- und der Schulbau. Zu den städtebaulich und typologisch interessanten Wohnbauten gehören insbesondere auch das die Architektur des sechziger Jahre antizipierende Wohn- und Geschäftshaus in Zürich-Seefeld (1957–1960), in dessen Attika Zweifel bis zu seinem Tod lebte, sowie das Terrassenschwesternhaus des Kantonsspitals Glarus (1967/1968). Die Reihe der Schulbauten beginnt mit bescheidenen Dorfschulen im Kanton Glarus und endet mit der Projektierung grosser Hochschulanlagen in Algerien und Lybien.

Es ist bei Zweifels vielfältigen Engagements auf den ersten Blick erstaunlich, dass er sich nie fest in einem Lehramt einspannen liess. Die diesbezüglichen Anfragen kamen aber zu einem Zeitpunkt, als sich Zweifel vor seine grösste Herausforderung als praktischer Architekt gestellt sah. Mit dem Gewinn des Wettbewerbes für den Neubau der EPF Lausanne – die Planungsgrundlagen arbeitete Metron unter Alexander Henz auf – stand er ab 1970 an der Spitze eines Teams, das über ein Jahrzehnt lang die damals bedeutendste eidgenössische Bauaufgabe bewältigen musste. Die Realisierung dieses auf einem neuartigen, «strukturalistischen» Konzept beruhenden Grossbaus – zum Erfahrungshintergrund gehörte auch das für die Firma Geigy erstellte Centre de Recherches Agricoles in Saint-Aubin (1965–1969) – hat Zweifel auch über die Landesgrenze bekannt gemacht. Dies belegen Projektierungsaufträge für Universitäten in Algerien und das ausgeführte Fakultätsgebäude für Agrikultur der Universität Benghasi in El Beida, Libyen (1981–1983).

Trotz dieser stetigen Ausweitung des Aktionsradius waren Zürich und Glarus weiterhin die Kantone, auf die sich Zweifels Tätigkeit fokussierte. Im Heimatkanton erwarb er sich auch durch seinen «nebenberuflichen» Einsatz grosse Verdienste. Zwei Engagements sind besonders hervorzuheben. Zweifel hat nicht nur als vielbeschäftigter «Glarner Architekt» das moderne Gesicht des Kantons mitgeprägt, sondern sich gleichzeitig mit Vehemenz, Risikobereitschaft und oft mit einer gehörigen Portion Schlauheit für das historische Bauerbe stark gemacht, vielfach im Zusammenhang mit Aufträgen im Bereich der Orts- und Regionalplanung. Sein Vorbild war Hans Leuzinger. Wie dieser folgte er dem Leitmotiv «Das gute Alte erneuern, das gute Neue fördern». Als langjähriger Präsident des Glarner Heimatschutzes (1963–1995) rettete er unzählige Einzelbauten und Ensembles und half mit, sie einer neuen Nutzung zuzuführen und damit nachhaltig zu sichern. Oft waren bei diesen kulturgüterschützerischen Projekten unkonventionelle Lösungen notwendig. Zu den wohl spektakulärsten Aktionen gehörte die Rettung des Thomas-Legler-Hauses in Diesbach mittels Translozierung.
Für seine baukulturellen Verdienste wurde Zweifel 2006 die Ehrendoktorwürde der ETH Zürich verliehen.

Das zweite Engagement Zweifels hat seine Wurzeln in der Schulzeit, als sich der musisch begabte für Musik und das Theater zu interessieren begann. Als Lebenspartner der bekannten Schauspielerin und Regisseurin Maria von Ostfelden half er Mitte der sechziger Jahren mit, für deren experimentelles Theater an der Winkelwiese in der Villa Tobler in Zürich eine feste Spielstätte einzurichten. Nach Ostfeldens Tod im Jahr 1971 führte Zweifel das Theater noch fast zwei Jahrzehnte lang in Eigenverantwortung und unter Einsatz beträchtlicher persönlicher Mittel weiter.

Bruno Maurer

Zitierweise: Bruno Maurer, Bestandesbeschrieb Jakob Zweifel, in: Website des gta Archivs / ETH Zürich, Februar 2019, archiv.gta.arch.ethz.ch/nachlaesse-vorlaesse/jakob-zweifel
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Bestand



Der Teilnachlass von Jakob Zweifel umfasst Fotos, Publikationen, Akten, wenige Pläne sowie einzelne Modelle zu rund 190 Bauten und Entwürfen, diverse Themendossiers (u.a. zu Ortsplanung und zum Glarner Heimatschutz) und einen kleinen Bibliotheksbestand. Im Nachlass des Architekturfotografen Fritz Maurer im gta Archiv finden sich die Negative und Vintageprints zu rund 40 Bauten und Entwürfen von Zweifel. Weitere Nachlassteile (insbesondere zu den Bauten der EPFL, zur Universität Annaba und zur Expo 64) liegen im Archives de La Construction Moderne ACM der EPF Lausanne. Grosse Teile der Materialien zur Ortsplanung und zur Tätigkeit für den Glarner Heimatschutz schenkte Zweifel den einzelnen Gemeinden

Der Teilnachlass umfasst konkret:
  • 1 Planrollenschachtel
  • 4 Planschubladen
  • 51 Schachteln
  • 3 Modelle (Weltausstellung in Brüssel 1958, Primarschulhaus Rüschlikon, EPFL)
  • diverse Ausstellungstafeln
  • ca. 1 Laufmeter Bibliothek


Ausgewählte Literatur


  • Jakob Zweifel. Schweizer Moderne der zweiten Generation (mit einer Einführung von Jürgen Joedicke und Textbeiträgen von Martin Schlappner), Baden 1996 (mit Werkauswahl und Literatur, engl. Übersetzung der Textbeiträge als Broschur, Baden 1997)
  • Martin Schlappner, Jakob Zweifel, in: Isabelle Rucki / Dorothee Huber, Schweizer Architektenlexikon 19./20. Jahrhundert, Basel / Boston / Berlin 1998, S. 585/586
  • Walter Zschokke, Michael Hanak (Hg.), Nachkriegsmoderne Schweiz. Architektur von Werner Frey, Franz Füeg, Jacques Schader, Jakob Zweifel, Basel / Boston / Berlin 2001
  • Fridolin Beglinger, Jakob Zweifel - eine Würdigung [Nachruf], in: Heimatschutz, Jg. 106, Nr. 1 (2011), S. 32.
  • Werner Oechslin, Jakob Zweifel 1921–2010 [Nachruf], in: Werk, Bauen + Wohnen, Jg. 98, H. 1-2 (2011), S. 64-65.
  • Michael Hanak, Jakob Zweifel 1921–2010 [Nachruf], in: TEC21, Jg. 137, Nr. 3–4 (2011), S. 14.