Hermann Baur (1894–1980)

Geb. 25. August 1894 in Basel, gest. 20. Dezember 1980 in Basel

Hermann Baur wuchs in einem handwerklichen Milieu auf. Der Vater Karl Baur-Stritt war Schreinermeister. Nach der Realschule in Basel begann Baur 1910 eine Lehre als Hochbauzeichner im Büro des Basler Architekten Rudolf Linder, einem Geschäftsarchitekten, dessen Interessen «im unternehmerischen und konstruktiven Bereich» lagen (Romana Anselmetti, Linder, Rudolf, in: Rucki/Huber 1998, S. 346). Nach dem Lehrabschluss blieb Baur als Zeichner und entwerfender Architekt bei Linder angestellt, danach arbeitete er in Olten bei Fritz von Niederhäusern. 1918/19 war er zwei Semester Hospitant an der ETH Zürich, eine Zeit, die er retrospektiv überhöhte – und verlängerte. In der gemeinsam mit Fritz Metzger verfassten Publikation zum Kirchenbau schreibt er einleitend, er sei wie dieser durch die «Schule Karl Mosers gegangen, dem wir beide wohl den aufgeschlossenen Sinn für das Neue, Ungewohnte, mitzuverdanken haben.» (Baur/Metzger 1956, S. 7)

Diesen Aufbruch erlebte er tatsächlich im französischen Mulhouse, wo er unter dem Namen Armand Baur von 1920 bis 1927 im Büro von Auguste Meyer angestellt war. In Guebwiller konnte er als ersten grossen eigenen Auftrag das kompromisslos moderne Hôtel de l’Ange (1925–1931) realisieren. 1927 kehrte er nach Basel zurück, wo er mit Paul Rickert ein Büro eröffnete. Bald stand er in der ersten Reihe der jungen Basler Architekten, mit denen er auch schon während seiner Zeit im Elsass den Austausch gepflegt hatte. So gehörte er bereits 1923 zu den Unterzeichnern des Protestschreibens gegen den Juryentscheid beim Wettbewerb für den Zentralfriedhof am Hörnli in Riehen und unterstützte 1929 auch die Petition zur Neubeurteilung des Wettbewerbs für das Kunstmuseum Basel. Im selben Jahr war er einer der Architekten der im Rahmen der Wohnungs-Ausstellung Basel (WOBA) errichteten Wohnkolonie Eglisee (Block 11).

In den dreissiger Jahren folgten die ersten Privathäuser in und um Basel, das Haus Hafter in Riehen (1928–1932), sein Eigenheim im Basler Bruderholz-Quartier (1932–1934) und das ganz ähnlich konzipierte Einfamilienhaus Kupferschmid in Basel (1938–1940). Die Häuser Streicher in Arlesheim (1933) und das während des Zweiten Weltkriegs errichtete Haus Lutz in Basel (1940) sind Holzskelettbauten. Der Wohnungsbau blieb bei Baur auch danach ein Schwerpunkt. Im Spätwerk finden sich grosse Siedlungen wie die während des Krieges realisierte Siedlung Jakobsberg (1. Etappe 1943–1946). Deren 2. Etappe (1961–1969) wurde wie die Siedlung Lee in Arlesheim (1963–1970) zeittypisch als Mischbebauung ausgeführt.

Grundsätzliche Beiträge leistete Hermann Baur zudem im Schulbau. Im Wettbewerb für eine neue Primarschule mit Turnhalle in Muttenz (1932) hatte er schon früh den neuen Typus der Pavillonschule vorgeschlagen. Realisieren konnte er diesen als Folge eines Direktauftrags einige Jahre später in Basel, in unmittelbarer Nachbarschaft seines eigenen Hauses. Die Primarschule Bruderholz (1935–1939) gilt als erste Pavillonschule der Schweiz und stellt einen bedeutenden Beitrag zum Schweizer Schulbaudiskurs dar ebenso wie die in Arbeitsgemeinschaft mit Franz Bräuning, Arthur Dürig und Hans Peter Baur ausgeführte Allgemeine Gewerbeschule in Basel (1948–1961). Der an diesem Werk beteiligte älteste Sohn Hans Peter Baur wirkte an zahlreichen weiteren Bauten seines Vaters mit, führte aber immer ein eigenes Büro. Bei allen öffentlichen Bauten war Baur die Integration der Künste ein wichtiges Anliegen. Im Falle der Gewerbeschule waren unter anderem Armin Hofmann und Hans Arp beteiligt. Zu den Basler Grossbauten gehört auch das Bürgerspital, das mitten im Krieg in Arbeitsgemeinschaft mit Paul Vischer, Franz Bräuning, Hans Leu und Arthur Dürig realisiert wurde (Planung ab 1935, Ausführung 1939–1945).

Das Gesamtwerk von Baur umfasst praktisch sämtliche Bauaufgaben, vor allem gilt er aber als einer der bedeutendsten Neuerer des (katholischen) Kirchenbaus. Die Kirche Don Bosco in Basel (1934–1937) bildete den Auftakt zu einer in der Schweiz beispiellosen Werkreihe. Nach dem Zweiten Weltkrieg entstanden kurz nacheinander mehr als 25 Kirchen, einige davon in Frankreich und Deutschland. Die frühen, typologisch sehr einfachen Saalbauten wie St. Mauritius in Dornach (1937–1939) erinnern an die Kirchen des «Weggenossen» Rudolf Schwarz; bei späteren Bauten wie der Kirche Bruder Klaus in Birsfelden (1955–1959) ist der Einfluss von Le Corbusiers Wallfahrtskirche in Ronchamp offensichtlich. Baur gehörte zudem zu den Gründungsmitgliedern der einflussreichen Schweizerischen St. Lukasgesellschaft für Kunst und Kirche / Societas Sancti Lucae (SSL), die für eine Erneuerung der katholischen Kunst und Architektur eintrat, und auch im Schrifttum des Architekten ist das Thema Kirchenbau über die ganze Schaffenszeit präsent.

Parallel zu seiner erfolgreichen Tätigkeit als praktischer Architekt übte Baur durch seine publizistischen Beiträge und als Funktionär – er war von 1938 bis 1944 Präsident des Bundes Schweizer Architekten (BSA) und von 1948 bis 1958 Präsident der Redaktionskommission der BSA-Verbandszeitschrift Das Werk –, vor allem aber auch als äussert aktiver Wettbewerbsjuror wesentlichen Einfluss auf die schweizerische Baukultur aus.

Bruno Maurer

Zitierweise: Bruno Maurer, Bestandsbeschrieb Hermann Baur, in: Website des gta Archivs / ETH Zürich, Januar 2019, archiv.gta.arch.ethz.ch/nachlaesse-vorlaesse/hermann-baur
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Bestand



Der Nachlass von Hermann und Hans Peter Baur umfasst Pläne, Akten, Fotografien und Modelle zu rund 450 Bauten und Entwürfen sowie umfangreiche Materialien zu den Schriften, zur Jurytätigkeit von Vater und Sohn sowie zur aktiven Beteiligung in verschiedenen Verbänden. Darüber hinaus finden sich grössere Konvolute an Korrespondenz mit anderen Architekten (wie z. B. Hans Schmidt, Fritz Metzger, Rudolf Schwarz oder Walter M. Förderer) oder befreundeten Künstlern (wie z. B. Hans Arp, Paul Speck, Pierino Selmoni oder Armin Hofmann) und umfangreiche Beispielsammlungen zum Kirchen- und zum Spitalbau. Die Bibliothek besteht neben allgemeinen Werken zu Architektur und Kunst sowie Belegexemplaren insbesondere aus Büchern und Zeitschriften zu kirchlicher Architektur und Kunst. Unter den Biografika finden sich unter anderem Materialien zur Ausbildungs- und Studienzeit.
Im Detail enthält der Nachlass:
  • 10 Planschubladen
  • 550 Planrollenschachteln
  • 24 Laufmeter Schachteln mit Dokumenten zu den Bauten und Entwürfen
  • circa 20 Modelle
  • 5 Laufmeter Schachteln mit Akten zu Jurybeteiligungen
  • 6 Laufmeter Schachteln mit Akten zu Verbandsaktivitäten
  • 3,5 Laufmeter Schachteln mit gesammelten Materialien zum Kirchen- und Spitalbau
  • 7 Laufmeter Foto- und Diasammlung
  • 0,5 Laufmeter Schachteln mit Biografika
  • 8 Laufmeter Bibliothek

Ausgewählte Literatur


  • Kirchenbauten von Hermann Baur und Fritz Metzger, Zürich 1956.
  • Hermann Baur, Ausst.-Kat., Basel 1975.
  • Dorothee Huber, Architekturführer Basel. Die Baugeschichte der Stadt und ihrer Umgebung, Basel 1993; erw. Neuaufl. 2014.
  • Hermann Baur. Architektur und Planung in Zeiten des Umbruchs, Ausst.-Kat., Basel 1994 (mit Werk- und Schriftenverzeichnis).
  • Fabrizio Brentini, Bauen für die Kirche. Katholischer Kirchenbau des 20. Jahrhunderts in der Schweiz, Luzern 1994.
  • Carmen Humbel Schnurrenberger, Hermann Baur (1894–1980). Ein Architekt mit ethischer Gesinnung im Aufbruch zur Moderne, Diss., ETH Zürich, 1997.
  • Carmen Humbel Schnurrenberger, Baur, Hermann, in: Isabelle Rucki und Dorothee Huber (Hg.), Architektenlexikon der Schweiz. 19./20. Jahrhundert, Basel/Berlin/Boston 1998, S. 42–43.
  • Rebekka Brandenberger, Ordnung in Freiheit. Beton und Denkmalpflege, in: Kunst + Architektur in der Schweiz 60 (2009), Nr. 4, S. 28–35.
  • Klaus Spechtenhauser, Freudiges Lernen im Grünen. Zum Bruderholz-Schulhaus in Basel von Hermann Baur, in: Kunst + Architektur in der Schweiz 69 (2018), Nr. 43, S. 58–65.