Gebrüder Pfister [Otto Pfister (1880–1959), Werner Pfister (1884–1950)]
Otto Pfister, geb. 31. Dezember 1880 in Fällanden, Zürich, gest. 7. Mai 1959
in Zürich
Werner Pfister, geb. 27. April 1884 in Fällanden, Zürich, gest. 11. Februar 1950 in Zürich
Die Gebrüder Pfister gehören zu den bedeutendsten Vertretern der modernen Schweizer Architektur der ersten Hälfte des 20. Jahrhunderts. Ihre Bauten an städtebaulich exponierter Lage prägen das Bild der Stadt Zürich bis heute wesentlich mit.
Otto und Werner Pfister wuchsen in Fällanden als Söhne von Jakob Pfister und Lina Pfister-Hotz auf. Der Vater war Primarlehrer. Otto Pfister besuchte nach einer Maurerlehre von 1899 bis 1901 das Technikum in Winterthur, danach als Fachhörer das Eidgenössische Polytechnikum in Zürich. Werner Pfister war nach der Schulzeit in die Zeichenlehrerklasse der Kunstgewerbeschule Zürich eingetreten. Weil ihm die «damalige Atmosphäre» nicht behagte, «liess er sich durch seinen Bruder zum Bauhandwerk hinziehen» (Nachruf Werner Pfister, Werk, 37 [1950], Nr. 4, S. *49*). Nach einem Praxisjahr als Maurer absolvierte auch er eine Ausbildung am Technikum in Winterthur (Prof. Robert Rittmeyer). Otto Pfister fand 1904 eine Anstellung bei der Firma Curjel & Moser (Hans Curjel, Karl Moser) in Karlsruhe. Dorthin folgte ihm sein jüngerer Bruder im Jahr danach, um bei Hermann Billing, dem anderen bedeutenden Karlsruher Büro, zu arbeiten.
Zurück in Zürich gründeten sie 1907 gemeinsam das Büro Gebrüder Pfister, das bereits nach kurzer Zeit zu den meistbeschäftigten und bestvernetzten der Stadt gehörte. 1908 waren die beiden Brüder in Olten bei der Gründung des Bundes Schweizer Architekten (BSA) dabei. Ihre Mitgliedschaften in weiteren Netzwerken – Werner Pfister war unter anderem Mitglied des Zürcher Baukollegiums, der städtischen Bebauungs- und Quartierkommission sowie der kantonalen Natur- und Heimatschutzkommission, Otto Pfister in der Zürcher Kunstgesellschaft – dürften für einige der Wettbewerbsteilnahmen förderlich gewesen sein.
Das umfangreiche Œuvre der Brüder repräsentiert die stilistische Entwicklung der Schweizer Architektur vom Heimatstil über den Neuklassizismus zum Neuen Bauen par excellence. Die frühen Siedlungen am Zürichberg (Wohnkolonie Bergheim, 1908–1909, und Gartenstadtgenossenschaft Im Kapf, 1912–1913) sind der Gartenstadtidee verpflichtet. Zum Frühwerk gehört auch die Schulhausanlage Limmatstrasse (1908–1910), ein herausragendes Beispiel des Heimatstils. Nach diesen ersten Ausführungen begann eine eindrückliche Serie innerstädtischer Grossbauten, so eine «Trilogie» markanter Geschäftshäuser an der Zürcher Bahnhofstrasse: Peterhof und Leuenhof (Seidenhaus Grieder und Bank Leu, 1913–1914) zeigen im Stil der hanseatischen Neurenaissance einen neugotischen Vertikalismus. Ebenfalls reich instrumentierte Fassaden, diesmal aber mit barockisierendem Bauschmuck, finden sich im zeitlich parallel entstandenen Warenhaus St. Annahof (1911–1914). Gleich im Anschluss daran realisierten Gebrüder Pfister in Luzern das wegen seiner opulenten Kuppel umstrittene SUVA-Gebäude (1914–1915). Mit dem Zürcher Hauptsitz der Schweizerischen Nationalbank (1919–1922) etablierten sie sich endgültig als führendes Zürcher Büro. Der mächtige neuklassizistische Bau, im Innern prachtvoll ausgestattet, bildet den seeseitigen Abschluss der Bahnhofstrasse. Weitere städtebauliche Akzente folgten. Nachdem sie sich in einem eingeladenen Wettbewerb gegen etablierte Büros durchgesetzt hatten (u. a. Karl Moser), konnten Gebrüder Pfister den an der Eisenbahnstrecke über den Gotthard liegenden neuen Quartierbahnhof Zürich-Enge (1926–1927) bauen. Die als Kreissegment ausgebildete monumentale Platzfassade erinnert nicht zufällig an Friedrich Weinbrenners Entwurf für die Kaiserstraße in Karlsruhe, Tektonik und Materialität aus Gotthardgranit an den Stuttgarter Bahnhof von Paul Bonatz, zu dem die Brüder Pfister in einem freundschaftlichen Verhältnis standen. Auch das Ensemble der Kantonalen Amtshäuser (Wettbewerb 1927, Ausführung 1933–1935) hat im Werk von Bonatz mit dem Stuttgarter Zeppelin-Haus ein Pendant.
Dank ihrer Fähigkeit, Funktionalität und modernste Bautechnik mit dem Bedürfnis der Bauherrschaft nach Repräsentation zu verbinden, erhielten Gebrüder Pfister oft den Vorzug vor ihren Kollegen, die eine dezidiert funktionalistische Auffassung von Architektur hatten, und waren deshalb Anfeindungen ausgesetzt, so etwa beim Wettbewerb für den neuen Hauptsitz der Schweizerischen Lebensversicherungs- und Rentenanstalt (1933, 1937–1939), an dem sich auch Le Corbusier und Pierre Jeanneret beteiligt hatten. Mit Ausnahme des Kirchenbaus leisteten Gebrüder Pfister in allen Bauaufgaben bedeutende Beiträge zur Schweizer Architektur der ersten Hälfte des 20. Jahrhunderts, namentlich auch im Spitalbau (Kranken- und Diakonissenanstalt Neumünster in Zollikon, 1931–1933, und Schweizerische Pflegerinnenschule in Zürich, 1933–1934) und im Kraftwerkbau (Rheinkraftwerke Eglisau, 1915–1920, Ryburg-Schwörstadt, 1927–1930, und Limmatwerk Wettingen, 1930–1933). 1940 übergaben die beiden Brüder das Büro den Söhnen von Otto Pfister, Hans und Kurt Pfister.
Im Zuge der Neubewertung der Vertreter einer gemässigten oder «anderen» Moderne wie Otto Rudolf Salvisberg oder Hans Hofmann in den 1980er Jahren wurde auch Otto und Werner Pfister und ihrem Büro eine adäquate Würdigung als herausragende Exponenten der modernen Schweizer Architektur zuteil.
Bruno Maurer
Zitierweise: Bruno Maurer, Bestandsbeschrieb Gebrüder Pister (Otto und Werner Pfister), in: Website des gta Archivs / ETH Zürich, März 2021, http://www.archiv.gta.arch.ethz.ch/nachlaesse-vorlaesse/gebrueder-pfister-otto-werner
© gta Archiv / ETH Zürich und der Autor, alle Rechte bleiben vorbehalten. Dieses Werk darf für nichtkommerzielle, pädagogische Zwecke kopiert und weiterverbreitet werden, wenn die Erlaubnis des Autors und der Inhaber der Nutzungsrechte erteilt ist. Für die Genehmigung wenden Sie sich bitte an das gta Archiv.
Beim Nachlassfragment der Gebrüder Pfister (Pläne und Akten sowie Fotoalben zu einzelnen Bauten und Projekten) handelt es sich im Wesentlichen um die Schenkung des Büros Heller Waldvogel Zünd, dem Nachfolgebüro der Brüder Hans und Kurt Pfister (Söhne von Otto Pfister). Weitere Bestände sind in Familienbesitz.
in Zürich
Werner Pfister, geb. 27. April 1884 in Fällanden, Zürich, gest. 11. Februar 1950 in Zürich
Die Gebrüder Pfister gehören zu den bedeutendsten Vertretern der modernen Schweizer Architektur der ersten Hälfte des 20. Jahrhunderts. Ihre Bauten an städtebaulich exponierter Lage prägen das Bild der Stadt Zürich bis heute wesentlich mit.
Otto und Werner Pfister wuchsen in Fällanden als Söhne von Jakob Pfister und Lina Pfister-Hotz auf. Der Vater war Primarlehrer. Otto Pfister besuchte nach einer Maurerlehre von 1899 bis 1901 das Technikum in Winterthur, danach als Fachhörer das Eidgenössische Polytechnikum in Zürich. Werner Pfister war nach der Schulzeit in die Zeichenlehrerklasse der Kunstgewerbeschule Zürich eingetreten. Weil ihm die «damalige Atmosphäre» nicht behagte, «liess er sich durch seinen Bruder zum Bauhandwerk hinziehen» (Nachruf Werner Pfister, Werk, 37 [1950], Nr. 4, S. *49*). Nach einem Praxisjahr als Maurer absolvierte auch er eine Ausbildung am Technikum in Winterthur (Prof. Robert Rittmeyer). Otto Pfister fand 1904 eine Anstellung bei der Firma Curjel & Moser (Hans Curjel, Karl Moser) in Karlsruhe. Dorthin folgte ihm sein jüngerer Bruder im Jahr danach, um bei Hermann Billing, dem anderen bedeutenden Karlsruher Büro, zu arbeiten.
Zurück in Zürich gründeten sie 1907 gemeinsam das Büro Gebrüder Pfister, das bereits nach kurzer Zeit zu den meistbeschäftigten und bestvernetzten der Stadt gehörte. 1908 waren die beiden Brüder in Olten bei der Gründung des Bundes Schweizer Architekten (BSA) dabei. Ihre Mitgliedschaften in weiteren Netzwerken – Werner Pfister war unter anderem Mitglied des Zürcher Baukollegiums, der städtischen Bebauungs- und Quartierkommission sowie der kantonalen Natur- und Heimatschutzkommission, Otto Pfister in der Zürcher Kunstgesellschaft – dürften für einige der Wettbewerbsteilnahmen förderlich gewesen sein.
Das umfangreiche Œuvre der Brüder repräsentiert die stilistische Entwicklung der Schweizer Architektur vom Heimatstil über den Neuklassizismus zum Neuen Bauen par excellence. Die frühen Siedlungen am Zürichberg (Wohnkolonie Bergheim, 1908–1909, und Gartenstadtgenossenschaft Im Kapf, 1912–1913) sind der Gartenstadtidee verpflichtet. Zum Frühwerk gehört auch die Schulhausanlage Limmatstrasse (1908–1910), ein herausragendes Beispiel des Heimatstils. Nach diesen ersten Ausführungen begann eine eindrückliche Serie innerstädtischer Grossbauten, so eine «Trilogie» markanter Geschäftshäuser an der Zürcher Bahnhofstrasse: Peterhof und Leuenhof (Seidenhaus Grieder und Bank Leu, 1913–1914) zeigen im Stil der hanseatischen Neurenaissance einen neugotischen Vertikalismus. Ebenfalls reich instrumentierte Fassaden, diesmal aber mit barockisierendem Bauschmuck, finden sich im zeitlich parallel entstandenen Warenhaus St. Annahof (1911–1914). Gleich im Anschluss daran realisierten Gebrüder Pfister in Luzern das wegen seiner opulenten Kuppel umstrittene SUVA-Gebäude (1914–1915). Mit dem Zürcher Hauptsitz der Schweizerischen Nationalbank (1919–1922) etablierten sie sich endgültig als führendes Zürcher Büro. Der mächtige neuklassizistische Bau, im Innern prachtvoll ausgestattet, bildet den seeseitigen Abschluss der Bahnhofstrasse. Weitere städtebauliche Akzente folgten. Nachdem sie sich in einem eingeladenen Wettbewerb gegen etablierte Büros durchgesetzt hatten (u. a. Karl Moser), konnten Gebrüder Pfister den an der Eisenbahnstrecke über den Gotthard liegenden neuen Quartierbahnhof Zürich-Enge (1926–1927) bauen. Die als Kreissegment ausgebildete monumentale Platzfassade erinnert nicht zufällig an Friedrich Weinbrenners Entwurf für die Kaiserstraße in Karlsruhe, Tektonik und Materialität aus Gotthardgranit an den Stuttgarter Bahnhof von Paul Bonatz, zu dem die Brüder Pfister in einem freundschaftlichen Verhältnis standen. Auch das Ensemble der Kantonalen Amtshäuser (Wettbewerb 1927, Ausführung 1933–1935) hat im Werk von Bonatz mit dem Stuttgarter Zeppelin-Haus ein Pendant.
Dank ihrer Fähigkeit, Funktionalität und modernste Bautechnik mit dem Bedürfnis der Bauherrschaft nach Repräsentation zu verbinden, erhielten Gebrüder Pfister oft den Vorzug vor ihren Kollegen, die eine dezidiert funktionalistische Auffassung von Architektur hatten, und waren deshalb Anfeindungen ausgesetzt, so etwa beim Wettbewerb für den neuen Hauptsitz der Schweizerischen Lebensversicherungs- und Rentenanstalt (1933, 1937–1939), an dem sich auch Le Corbusier und Pierre Jeanneret beteiligt hatten. Mit Ausnahme des Kirchenbaus leisteten Gebrüder Pfister in allen Bauaufgaben bedeutende Beiträge zur Schweizer Architektur der ersten Hälfte des 20. Jahrhunderts, namentlich auch im Spitalbau (Kranken- und Diakonissenanstalt Neumünster in Zollikon, 1931–1933, und Schweizerische Pflegerinnenschule in Zürich, 1933–1934) und im Kraftwerkbau (Rheinkraftwerke Eglisau, 1915–1920, Ryburg-Schwörstadt, 1927–1930, und Limmatwerk Wettingen, 1930–1933). 1940 übergaben die beiden Brüder das Büro den Söhnen von Otto Pfister, Hans und Kurt Pfister.
Im Zuge der Neubewertung der Vertreter einer gemässigten oder «anderen» Moderne wie Otto Rudolf Salvisberg oder Hans Hofmann in den 1980er Jahren wurde auch Otto und Werner Pfister und ihrem Büro eine adäquate Würdigung als herausragende Exponenten der modernen Schweizer Architektur zuteil.
Bruno Maurer
Zitierweise: Bruno Maurer, Bestandsbeschrieb Gebrüder Pister (Otto und Werner Pfister), in: Website des gta Archivs / ETH Zürich, März 2021, http://www.archiv.gta.arch.ethz.ch/nachlaesse-vorlaesse/gebrueder-pfister-otto-werner
© gta Archiv / ETH Zürich und der Autor, alle Rechte bleiben vorbehalten. Dieses Werk darf für nichtkommerzielle, pädagogische Zwecke kopiert und weiterverbreitet werden, wenn die Erlaubnis des Autors und der Inhaber der Nutzungsrechte erteilt ist. Für die Genehmigung wenden Sie sich bitte an das gta Archiv.
Bestand
Beim Nachlassfragment der Gebrüder Pfister (Pläne und Akten sowie Fotoalben zu einzelnen Bauten und Projekten) handelt es sich im Wesentlichen um die Schenkung des Büros Heller Waldvogel Zünd, dem Nachfolgebüro der Brüder Hans und Kurt Pfister (Söhne von Otto Pfister). Weitere Bestände sind in Familienbesitz.
Ausgewählte Literatur
- Künstler-Lexikon der Schweiz. XX. Jahrhundert, 2 Bde., Frauenfeld 1958–1967, Bd. 1. S. 737–738.
- Peter Meyer, Zwei Zürcher Architekten, zur Erinnerung an die Gebrüder Pfister, in: Neue Zürcher Zeitung, 13. Februar 1960.
- Gesellschaft für Schweizerische Kunstgeschichte (Hg.), Inventar der neueren Schweizer Architektur 1850–1920 INSA, Bd. 10: Winterthur, Zürich, Zug, Bern 1992.
- archithese, 23 (1993), Nr. 1: Gebr. Pfister.
- Dominique von Burg, Pfister, Gebrüder, in: Isabelle Rucki und Dorothee Huber (Hg.), Architektenlexikon der Schweiz. 19./20. Jahrhundert, Basel/Boston/Berlin 1998, S. 416–417.
- Dominique von Burg, Gebrüder Pfister. Architektur für Zürich 1907–1950, Sulgen/Zürich 2000 (mit Werkverzeichnis).
- Bruno Maurer, Pfister, Otto / Pfister, Werner, in: Allgemeines Künstlerlexikon (AKL), Bd. 95, München/Leipzig 2017, S. 95; AKL Online [2017].