Ferdinand Pfammatter (1916–2003)

Geb. 3. November 1916 in Brig, gest. 16. Mai 2003 in Berlingen

Als Verfasser eines Standardwerks und als Architekt gehört Ferdinand Pfammatter zu den bedeutendsten Exponenten des modernen Kirchenbaus in der Schweiz nach 1945. Weitere wichtige Bauaufgaben in seinem Œuvre sind Schulhausbauten und Geschäftshäuser.

Nachdem die Familie 1925 aus dem Wallis nach Zürich gezogen war, besuchte Pfammatter dort die Kantonsschule. Das Architekturstudium an der ETH (1937–1942) absolvierte er bei Friedrich Hess, William Dunkel, Otto Rudolf Salvisberg und Hans Hofmann; bei Linus Birchler und Peter Meyer hörte er Kunstgeschichte. Nach seinem Diplom arbeitete er bis 1945 als Assistent bei William Dunkel und in dessen Büro.

Seine Dissertation «Betonkirchen. Voraussetzung, Entwicklung, Gestaltung» wurde von Birchler betreut und erschien 1948 im Benziger Verlag. Die Publikation bietet eine umfassende Darstellung des damaligen Stands des internationalen modernen Kirchenbaus und seiner historischen, geistig-religiösen und konstruktiv-technischen Aspekte. Sämtliche Pläne der dokumentierten 70 Kirchen wurden von Pfammatter neu gezeichnet. Die Fotografien stammen von dem bekannten Zürcher Fotografen Bernhard Moosbrugger. Nebst direkten Vorbildern wie Notre-Dame du Raincy von Auguste und Gustave Perret (1922–1923) oder der Antoniuskirche von Karl Moser (1925–1927) in Basel werden auch Rund- und Zentralkirchen vorgestellt, die Pfammatter später bei seinen eigenen Kirchenbauten inspirieren sollten.

Noch während seiner Arbeit an der Dissertation gewann Pfammatter 1946 den Wettbewerb für die römisch-katholische Kirche Dreikönigen in Zürich-Enge (1949–1951). 1948 gründete er mit dem Architekten Walter Rieger (1915–1980) ein eigenes Büro. Pfammatter & Rieger entwickelten zunächst einen Schwerpunkt im Bereich Kirchenbau. Wie bereits in der Dissertation angelegt, formte Pfammatter den traditionellen Typus der Basilika in einen modernen sakralen Raum in Eisenbeton auf rational-geometrischem Grundriss- und Schnittschema um. Die tragenden Pfeiler und Rippen prägen in fast «gotisch» einfacher Erscheinung die Räumlichkeit, wogegen die «Füllungen» mit in Eisenbeton vorfabrizierten, lichtführenden Elementen ausgebildet sind. Andere auffällige Gestaltungsmerkmale sind etwa der parabolische Querschnitt wie bei der Kirche St. Gallus in Zürich-Schwamendingen (1955–1957) oder das «shelter»-Motiv, so bei der Kirche St. Marien in Herrliberg (1956) und der Bruder-Klaus-Kapelle auf dem Zermatter Riffelberg (1961). Der Charakter der Innenräume ist oft durch die intensive Farbigkeit von Glasfenstern bestimmt, die in der Dreikönigskirche und der Kirche Sainte-Famille in Zürich von dem Künstler Paul Monnier ausgeführt wurden.

Nach der vom Zweiten Vatikanischen Konzil 1965 beschlossenen ökumenischen Öffnung gegenüber anderen Konfessionen reagierte das Büro Pfammatter & Rieger mit anders ausgebildeten Grundrissfiguren, wie dies insbesondere die «Querkirche» Sainte-Famille der Mission catholique de la langue française de Zurich (1964–1966) illustriert. Es folgten noch experimentellere Wettbewerbsbeiträge für Südkorea (Chungju, 1965), Sizilien (Syrakus) und Zollikerberg sowie als Abschluss der Kirchenprojekte-Reihe die Fridolinskapelle im aargauischen Siglisdorf mit multifunktionalem Grundriss (1969–1970). Allerdings hatte Pfammatter bereits vor dem Konzil eine freiere Raumgestaltung praktiziert, wie die Bauten für Zürich-Albisrieden (kreuzförmiger Zentralbau; 1953–1955) und Turgi (Oktagon; 1957–1959) zeigen.

An der Weltausstellung 1958 in Brüssel besichtigte Pfammatter nebst den Hypar-Betonschalen des Französischen und des Philips-Pavillons auch den Deutschen Pavillon von Egon Eiermann und Sep Ruf, dessen volumetrische, räumliche und materielle Leichtigkeit den Aufbruchsgeist der Nachkriegszeit repräsentierte. Fensterbänder und Flugdächer, beschwingte Treppenhäuser und grosszügige Eingangspartien, leichtes Mobiliar sowie die Pastellfarben vieler Arbeiten Pfammatters gehen auf diese Inspirationen zurück. Er gehörte zu denjenigen Architekten, die Interieurs und figurative Details selbst entwarfen, auch im Kirchenbau.

Zu den umfangreichsten Realisierungen zählen die Umbauten für das Hotel Waldhaus in Sils-Maria (1979–1991) sowie das Krankenhaus Sanitas in Kilchberg (1970–1974), zu den kleinsten die Kapelle auf dem Riffelberg ob Zermatt (1961), für deren Entwurf und Ausführung der Architekt auf sein Honorar verzichtete und dies – abgesehen von Material- und Transportkosten – auch von den Bauunternehmern erwartete.

Das Architekturbüro befand sich zuerst im Kappelerhof im Zentrum von Zürich, danach an der Minervastrasse und schliesslich nach der Auflösung der Bürogemeinschaft (1967) an der Zollikerstrasse. Mitarbeiter waren unter anderem Jakob Zweifel und Paul Schatt, der nachmalige Zürcher Kantonsbaumeister. Pfammatter war 1951 Mitbegründer und bis 1958 auch erster Sekretär der Société Internationale des Artistes Catholics (heute: Chrétiens; SIAC), einer Zweigorganisation der Pax Romana ICMICA.

Ulrich Pfammatter

Zitierweise: Ulrich Pfammatter, Bestandsbeschrieb Ferdinand Pfammatter, in: Website gta Archiv / ETH Zürich, Juli 2021, archiv.gta.arch.ethz.ch/nachlaesse-vorlaesse/ferdinand-pfammatter
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Bestand



Das Nachlassfragment von Ferdinand Pfammatter umfasst 2 Planmappen A1 sowie 1 Schachtel mit Fotos, Modellfotos sowie vereinzelten Plänen und weitere Materialien zu rund 50 Bauten und Entwürfen, Abbildungsvorlagen zur seiner Publikation über Betonkirchen, vereinzelten weitere Schriften sowie Biografika.


Ausgewählte Literatur



Eigene Schriften
  • Ferdinand Pfammatter, Betonkirchen. Voraussetzung, Entwicklung, Gestaltung, Einsiedeln/Zürich/Köln 1948 (325 Zeichnungen des Autors, 58 Fotografien von Bernhard Moosbrugger)

Sekundärliteratur
  • Fabrizio Brentini, Bauen für die Kirche. Katholischer Kirchenbau des 20. Jahrhunderts in der Schweiz, Luzern 1994.
  • Markus Fischer, Dreikönigskirche in Zürich-Enge, hg. von der Gesellschaft für Schweizerische Kunstgeschichte, Bern 2011 (Schweizerische Kunstführer Serie 90, Nr. 896).
  • Ueli Pfammatter, Architekt Ferdinand Pfammatter gestorben, in: TEC21 129 (2003), Nr. 25, S. 34.