Ulrich Walter Ramseyer (1938–1996)
Geb. 1. November 1938 in Bern, gest. 30. Oktober 1996 in Alicante
Ulrich W. (Ramy) Ramseyer absolvierte eine dreijährige Lehre als Gebrauchsgrafiker an der kunstgewerblichen Abteilung des Technikums Biel, bevor er sich an der Gewerbeschule in Bern zum Bauzeichner weiterbildete. Ab 1961 arbeitete er in verschiedenen Architekturbüros in der ganzen Schweiz, so etwa bei Tita Carloni in Lugano. In der Zeitschrift Werk konnte er unter anderem einen zweiteiligen Artikel über zeitgenössische Architektur in Jugoslawien publizieren. 1968 eröffnete er in Bern ein eigenes Architekturbüro.
Daneben war Ramseyer stets auch als freier Künstler, Bühnenbildner, Illustrator und Restaurator tätig. Er war Mitglied der GSMBA und seine stillebenartigen, zwischen Manierismus und Surrealismus oszillierenden Gemälde und Zeichnungen wurden in zahlreichen Gruppen- und Einzelausstellungen in Europa und den USA gezeigt. 1981 zog er nach Spanien, wo er in Sevilla, Cordoba und zuletzt in einem selbst entworfenen Haus in Altea la Vieja bei Alicante wohnte. 1985 heiratete er in Gibraltar seine langjährige Lebenspartnerin Marilyn Knops (geb. 1950 in Yorkshire).
Wie Walter Jonas (Trichterhäuser), Justus Dahinden (Hill City), Hans Ulrich Scherer (Terrassensiedlungen) und zahlreiche andere beschäftigte sich auch Ramseyer ab Mitte der 1960er Jahre mit neuen, verdichteten Bebauungsformen. So verfasste er 1964 für das viel beachtete, von Lucius Burkhard betreute Werk-Themenheft zu Terrassenhäusern einen Beitrag über die hügelförmigen Wohnhausprojekte der Architekten Schröder & Frey. Vier dieser Einheiten wurden ab 1963 in der für ihre innovative Baupolitik bekannten Stadt Marl im Ruhrgebiet ausgeführt und in der Fachpresse als zeitgemässe, Platz sparende Lösung für den Siedlungsbau gewürdigt.
In seinem Entwurf für den Ideenwettbewerb zu einer Satellitenstadt für 10'000 Einwohner bei Olten (Kennwort Funny Hill) nahm Ramseyer 1968 die Grundidee der Marler Wohnhügel auf. Die einzelnen Blöcke verkettete er zu einer zusammenhängenden Stadtlandschaft, in die – neben dem Wohnen – auch Verkehr, Arbeiten, Erholung und andere öffentliche Funktionen integriert werden sollten. Die Transformation der Stadt über neuartige Raumstrukturen betrachtete Ramseyer keineswegs als architektonische Utopie. Zur realen Umsetzung seiner Ideen gründete er 1972 die Interessengemeinschaft Funny Hill. Die gleichnamige Dokumentationsbroschüre, welche unter anderem eine konkrete Studie für einen Berner Wohnhügel enthielt, wurde in rund 2000 Exemplaren an Behörden, potentielle Bauherren, Investoren und sonstige Interessierte verteilt. Bis Mitte der 1980er Jahre variierte er das Konzept immer wieder in verschiedenen Skizzen und Studien. Erhalten ist etwa ein später Vorschlag für ein ganzes Quartier mit Stadthügeln im Zentrum von Sevilla.
Für Aufsehen gesorgt hatte Ramseyer schon 1967 mit seinem Entwurf für eine Brückenstadt an Stelle der baufälligen Kirchenfeldbrücke in Bern. Das vermutlich nicht zuletzt von den Megastrukturen Yona Friedmans inspirierte Projekt sah eine neue Stahlfachwerkkonstruktion mit drei bis vier davon abgehängten zusätzlichen Geschossen für unterschiedliche Nutzungen vor. Mario Cortesi präsentierte das Projekt in seinem Film «Brücke der Zukunft?» prominent im Schweizer Fernsehen. Die Behörden lehnten es jedoch als Eingriff in das historische Stadtbild aus ästhetischen Gründen klar ab. Ramseyers Vorschlag, während der 800 Jahr Feier der Stadt Bern 1991 eine temporäre Struktur für Veranstaltungen, Ausstellungen und Restaurantbetriebe unter der Kirchenfeldbrücke zu errichten, scheiterte ebenso.
Einprägsam auf den Punkt brachte Ramseyer die zeittypische Ambivalenz zwischen Dystopien – wie sie etwa in Rolf Kellers Buch «Bauen als Umweltzerstörung» zum Ausdruck kamen – und den Utopien grossmassstäblicher Stadtvisionen in einer seiner Handzeichnungen. In dieser verband er eine typische Ansicht der Berner Altstadt und ihren Laubengängen mit Andeutungen brutalistischer Wohnbauten, Buckminster Fullers geodätischen Kuppeln, Frei Ottos luftigen Flächentragwerken, dem Habitat 67 von Moshe Safdie und eigenen Wohnhügelentwürfen.
Daniel Weiss
Zitierweise: Daniel Weiss, Bestandesbeschrieb Ulrich Walter Ramseyer, in: Website des gta Archivs / ETH Zürich, Januar 2018, archiv.gta.arch.ethz.ch/nachlaesse-vorlaesse/ulrich-walter-ramseyer
© gta Archiv / ETH Zürich und der Autor, alle Rechte bleiben vorbehalten. Dieses Werk darf für nichtkommerzielle, pädagogische Zwecke kopiert und weiterverbreitet werden, wenn die Erlaubnis des Autors und der Inhaber der Nutzungsrechte erteilt ist. Für die Genehmigung wenden Sie sich bitte an das gta Archiv.
Der Bestand umfasst 2 Planmappen A0 bzw. A1 sowie ein Hängeregister mit Einzeldokumenten zum architektonischen Werk von Ulrich W. Ramseyer. Er enthält insbesondere Originalpläne und Modellfotos zum Wettbewerbsentwurf für die Planung Olten Süd-West sowie die Dokumentationsbrüschüre der Interessengemeinschaft Funny Hill von 1973. Neben Portraitfotos und einigen weiteren Originalmaterialien, etwa zum Eigenheim in Altea la Vieja, finden sich auch fotokopierte Dokumentationen zu verschiedenen weiteren Projekten wie der Brückenstadt Kirchenfeldbrücke.
Eigene Schriften
Sekundärliteratur
Ulrich W. (Ramy) Ramseyer absolvierte eine dreijährige Lehre als Gebrauchsgrafiker an der kunstgewerblichen Abteilung des Technikums Biel, bevor er sich an der Gewerbeschule in Bern zum Bauzeichner weiterbildete. Ab 1961 arbeitete er in verschiedenen Architekturbüros in der ganzen Schweiz, so etwa bei Tita Carloni in Lugano. In der Zeitschrift Werk konnte er unter anderem einen zweiteiligen Artikel über zeitgenössische Architektur in Jugoslawien publizieren. 1968 eröffnete er in Bern ein eigenes Architekturbüro.
Daneben war Ramseyer stets auch als freier Künstler, Bühnenbildner, Illustrator und Restaurator tätig. Er war Mitglied der GSMBA und seine stillebenartigen, zwischen Manierismus und Surrealismus oszillierenden Gemälde und Zeichnungen wurden in zahlreichen Gruppen- und Einzelausstellungen in Europa und den USA gezeigt. 1981 zog er nach Spanien, wo er in Sevilla, Cordoba und zuletzt in einem selbst entworfenen Haus in Altea la Vieja bei Alicante wohnte. 1985 heiratete er in Gibraltar seine langjährige Lebenspartnerin Marilyn Knops (geb. 1950 in Yorkshire).
Wie Walter Jonas (Trichterhäuser), Justus Dahinden (Hill City), Hans Ulrich Scherer (Terrassensiedlungen) und zahlreiche andere beschäftigte sich auch Ramseyer ab Mitte der 1960er Jahre mit neuen, verdichteten Bebauungsformen. So verfasste er 1964 für das viel beachtete, von Lucius Burkhard betreute Werk-Themenheft zu Terrassenhäusern einen Beitrag über die hügelförmigen Wohnhausprojekte der Architekten Schröder & Frey. Vier dieser Einheiten wurden ab 1963 in der für ihre innovative Baupolitik bekannten Stadt Marl im Ruhrgebiet ausgeführt und in der Fachpresse als zeitgemässe, Platz sparende Lösung für den Siedlungsbau gewürdigt.
In seinem Entwurf für den Ideenwettbewerb zu einer Satellitenstadt für 10'000 Einwohner bei Olten (Kennwort Funny Hill) nahm Ramseyer 1968 die Grundidee der Marler Wohnhügel auf. Die einzelnen Blöcke verkettete er zu einer zusammenhängenden Stadtlandschaft, in die – neben dem Wohnen – auch Verkehr, Arbeiten, Erholung und andere öffentliche Funktionen integriert werden sollten. Die Transformation der Stadt über neuartige Raumstrukturen betrachtete Ramseyer keineswegs als architektonische Utopie. Zur realen Umsetzung seiner Ideen gründete er 1972 die Interessengemeinschaft Funny Hill. Die gleichnamige Dokumentationsbroschüre, welche unter anderem eine konkrete Studie für einen Berner Wohnhügel enthielt, wurde in rund 2000 Exemplaren an Behörden, potentielle Bauherren, Investoren und sonstige Interessierte verteilt. Bis Mitte der 1980er Jahre variierte er das Konzept immer wieder in verschiedenen Skizzen und Studien. Erhalten ist etwa ein später Vorschlag für ein ganzes Quartier mit Stadthügeln im Zentrum von Sevilla.
Für Aufsehen gesorgt hatte Ramseyer schon 1967 mit seinem Entwurf für eine Brückenstadt an Stelle der baufälligen Kirchenfeldbrücke in Bern. Das vermutlich nicht zuletzt von den Megastrukturen Yona Friedmans inspirierte Projekt sah eine neue Stahlfachwerkkonstruktion mit drei bis vier davon abgehängten zusätzlichen Geschossen für unterschiedliche Nutzungen vor. Mario Cortesi präsentierte das Projekt in seinem Film «Brücke der Zukunft?» prominent im Schweizer Fernsehen. Die Behörden lehnten es jedoch als Eingriff in das historische Stadtbild aus ästhetischen Gründen klar ab. Ramseyers Vorschlag, während der 800 Jahr Feier der Stadt Bern 1991 eine temporäre Struktur für Veranstaltungen, Ausstellungen und Restaurantbetriebe unter der Kirchenfeldbrücke zu errichten, scheiterte ebenso.
Einprägsam auf den Punkt brachte Ramseyer die zeittypische Ambivalenz zwischen Dystopien – wie sie etwa in Rolf Kellers Buch «Bauen als Umweltzerstörung» zum Ausdruck kamen – und den Utopien grossmassstäblicher Stadtvisionen in einer seiner Handzeichnungen. In dieser verband er eine typische Ansicht der Berner Altstadt und ihren Laubengängen mit Andeutungen brutalistischer Wohnbauten, Buckminster Fullers geodätischen Kuppeln, Frei Ottos luftigen Flächentragwerken, dem Habitat 67 von Moshe Safdie und eigenen Wohnhügelentwürfen.
Daniel Weiss
Zitierweise: Daniel Weiss, Bestandesbeschrieb Ulrich Walter Ramseyer, in: Website des gta Archivs / ETH Zürich, Januar 2018, archiv.gta.arch.ethz.ch/nachlaesse-vorlaesse/ulrich-walter-ramseyer
© gta Archiv / ETH Zürich und der Autor, alle Rechte bleiben vorbehalten. Dieses Werk darf für nichtkommerzielle, pädagogische Zwecke kopiert und weiterverbreitet werden, wenn die Erlaubnis des Autors und der Inhaber der Nutzungsrechte erteilt ist. Für die Genehmigung wenden Sie sich bitte an das gta Archiv.
Bestand
Der Bestand umfasst 2 Planmappen A0 bzw. A1 sowie ein Hängeregister mit Einzeldokumenten zum architektonischen Werk von Ulrich W. Ramseyer. Er enthält insbesondere Originalpläne und Modellfotos zum Wettbewerbsentwurf für die Planung Olten Süd-West sowie die Dokumentationsbrüschüre der Interessengemeinschaft Funny Hill von 1973. Neben Portraitfotos und einigen weiteren Originalmaterialien, etwa zum Eigenheim in Altea la Vieja, finden sich auch fotokopierte Dokumentationen zu verschiedenen weiteren Projekten wie der Brückenstadt Kirchenfeldbrücke.
Ausgewählte Literatur
Eigene Schriften
- Architektur in Jugoslawien, in: Werk H. 8/1963, S. 171-175, 193-197 (Stadtchronik).
- Wohnhügel, in: Werk H. 10/1964 (Themenheft Terrassenhäuser), S. 368-369.
- Jean Prouvé. Industrielles Bauen (Besprechung einer Ausstellung in der Kunsthalle Bern), in: Werk H. 11/1964, S. 261 (Chronik).
- Vorschlag für eine Brücke in Bern (Entwurf für eine Brückenstadt an Stelle der historischen Kirchenfeldbrücke), in: Werk H. 5/1968, S. 331-332 (Tribüne).
- Ulrich W. Ramseyer und Interessengemeinschaft Funny Hill, Funny Hill. Menschliches Wohnen - eine Dokumentation, 2. überarbeitete und ergänzte Auflage, Bern Feb. 1973.
Sekundärliteratur
- Biografisches Lexikon der Schweizer Kunst, Hrsg.: Schweizerisches Institut für Kunstwissenschaft, Zürich 1998, Bd. 2, S. 852.
- Ulrich W. (Ramy) Ramseyer, Ausstellungskatalog, Alicante 1995.
- Lexikon der zeitgenössischen Schweizer Künstler, Hrsg.: Schweizerisches Institut für Kunstwissenschaft, Frauenfeld 1981, S. 290.