Fritz Stucky (1929–2014)

Geb. 24. Februar 1929 in Basel, gest. 10. Februar 2014 in Cham

Fritz Stucky zählt zu den massgeblichen Entwicklern der Terrassenbauweise und des Elementbausystems in der Schweiz. Seine Variel-Bauten sind von Algerien über Venezuela bis ins schweizerische Zug zu finden. Stuckys Schaffen ist geprägt von den Jahren des Aufschwungs nach dem Zweiten Weltkrieg und seinen Erfahrungen mit Fertigbauweisen in den USA. Bezeichnend ist, dass er sich als Architekt und Unternehmer verstand. 1961 gründete er zusammen mit Rudolf Meuli die Firma Elcon AG, die Entwicklungs- und Lizenzfirma für das Variel-System.

Nach nur einem Jahr Architekturstudium an der ETH Zürich verliess Stucky die Schweiz und wurde auf Vermittlung von Werner M. Moser 1950 bei Frank Lloyd Wright als Fellow angenommen. Die Jahre in den USA und auf Taliesin, wo Stucky Bekanntschaft mit Peter Steiger machte, werden sein architektonisches Denken fortwährend prägen. 1952 setzte er an der University of Washington (Seattle, WA) sein Studium fort. Nach Anstellungen bei Tukker and Shields in Seattle und dem Planungsbüro der Universidad Nacional Autónoma de México kehrte Stucky 1955 in die Schweiz zurück und arbeitete bei Paul Weber in Zug. Zusammen mit Rudolf Meuli gründete er 1956 das Architekturbüro Stucky und Meuli, das bis 1969 bestand und in dem die Variel-Bausysteme, das erste Terrassenhaus in Zug und wie auch Prototypen für Mehrfamilienhäuser entstanden.

Bereits mit dem ersten Bau des Büros, dem Haus am Bohlgutsch in Zug (1956), meisterten die Architekten die Herausforderungen eines Grundstücks am Hang. Die Zeitschrift Werk publizierte die Arbeit und gratulierte den innerschweizerischen Behörden, dass sie es gewagt hätten „einen grossen Schritt weiter zu gehen und gegen den Widerstand des Heimatschutzes und anderer privater Verbände solche Bauten zu bewilligen“. Das schnelle Wachstum der Städte führte dazu, dass auch topographisch schwierige Hanglagen immer öfter bebaut wurden. Bereits im Folgejahr stellten sich Stucky und Meuli einer ähnlichen Bauaufgabe und verwirklichten in Zug die erste Terrassenhaussiedlung der Schweiz (1957–1960), ein Bautypus, der bald landesweit Einzug hielt.

Dem Wirtschaftsboom der Nachkriegsjahre und dem rasanten demographische Wachstum begegnete die Architektur auch in der Schweiz mit rationalisierten Systembauweisen. Mit der Entwicklung der Variel-Systems wurden Stucky und Meuli zu prägenden Figuren einer Architekturvision, Häuser in ebensolchem Tempo und ebensolcher Masse zu produzieren wie Autos das Fliessband verlassen. Das Variel-System durchlief mehrere Entwicklungsstadien von Holz über Stahl zu Beton, war aber von Beginn an (1958) als Raumelement-System angelegt. Somit verlagerten sich die Arbeits- und Bauprozesse weg von der Baustelle zur Vorfabrikation, und die Elcon AG sollte die unternehmerische Basis aller Arbeitsabläufe werden. In den von Euphorie und Aufschwung geprägten 1960er Jahren bestand eine ungebrochene Nachfrage nach solchen Systemen.

Der Erfolg des Variel-Systems lag besonders in dessen Variabilität. Die Raumelemente waren horizontal und vertikal erweiterbar, und die Last wurde einzig über vier Punkte abgetragen, sodass die Wände frei gesetzt werden konnten. Ferner konnte das System für verschiedenste Bauaufgaben angewendet werden, vom Privathaus (Villa Mijnssen in Zug, 1968) bis zur grossen Schulanlage (Integrierte Gesamtschule in Garbsen bei Hannover, 1972–1974). Ihren Höhepunkt erreichte die Firma Elcon um 1975 mit weltweit 13 Produktionsanlagen und Kontakten und Niederlassungen unter anderem in Südafrika, Algerien und Venezuela. Zu diesem Zeitpunkt hatte Meuli die Bürogemeinschaft bereits verlassen. Nachdem Stucky das Büro allein weitergeführt hatte, folgte 1973 die Gründung der Fritz Stucky Architekturbüro AG in Zug, die bis 2004 existierte.

Muriel Pérez

Zitierweise: Muriel Pérez, Bestandsbeschrieb Fritz Stucky, in: Website gta Archiv / ETH Zürich, August 2020, archiv.gta.arch.ethz.ch/nachlaesse-vorlaesse/fritz-stucky
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Bestand



Der Nachlass von Fritz Stucky umfasst Pläne, Fotos und einzelne Akten zu rund 480 Bauten, Entwürfen und Projekten und reicht von der Bürogemeinschaft mit Rudolf Meuli bis hin zum internationalen Firmenkonglomerat, das die typisierten Variel-Elementsysteme über ihre Niederlassungen unter anderem in Algerien, Südafrika oder Venezuela weit verbreiteten. Die Unterlagen zu den einzelnen Bauten sind häufig über den gesamten Nachlass verstreut und nicht vollständig, weil ein Grossteil der Bauten durch eigenständige Architekten entworfen und durch Lizenzunternehmen ausgeführt wurde. Zu den Variel-Elementsystemen liegen umfangreiche Dokumentationen über Herstellungsprozesse vor, die durch Werbematerialien, Studien und Berichte ergänzt werden. Des Weiteren finden sich Pläne, Berichte und Akten, die sich Bautechniken, Normen oder statischen Berechnungen widmen.

Objektbezogener Bestand
  • 10 Schachteln und 18 Ordner mit Fotodokumentation verschiedener Bauten
  • 350 Rollenschachteln mit Plänen zu verschiedenen Bauten, darunter 80 Rollenschachteln der Karl Kübler AG und 50 Rollenschachteln der Wey Elementbau AG
  • 2 Rollenschachteln mit Plänen zu Variel-Fabriken im Ausland
  • 10 Schubladen A0 mit Plänen zu verschiedenen Bauten

Typenbezogener Bestand
  • 85 Ordner mit Plänen, Berichten und Akten zu den Variel-Elementtypen, darunter zur Typenprüfung, statischen Untersuchungen, Norm-Details oder Bauweisen
  • 60 Ordner mit Fotodokumentation des Variel-Herstellungsprozess, dazu 5 Ordner in Präsentationsform
  • 45 Ordner mit Plänen, Berichten und Akten zu den Element-Programmen, Konkurrenz, Bautechniken sowie Bauteilen und Möbeln
  • 20 Ordner mit Plänen, Fotos und Akten zur Produktion der Elemente und den Werken im In- und Ausland
  • 14 Ordner mit Planverzeichnissen
  • 31 Rollenschachteln mit Plänen zu Raumelementen, darunter 9 Rollenschachteln mit Plänen zum Raumelement Algerien
  • 28 Rollenschachteln mit Plänen zu Typen-Bauweisen, darunter 7 Rollenschachteln zu Typentreppenhaus
  • 12 Rollenschachteln mit Plänen zu Variel-Elementtypen, darunter 3 Rollenschachteln zu Elcon Schule 63
  • 10 Schubladen A0 mit Plänen zu den Variel-Elementtypen
  • Werbebroschüren und Dokumentationen des Variel-Systems und dessen Bauten mit 1,5 Laufmetern, dazu 2 Schubladen A0 mit Präsentationsunterlagen

Diverse Pläne, Notizen, Berichte und Dossiers, darunter
  • 2 Ordner mit privater Korrespondenz
  • 1 Ordner mit Vorträgen
  • Reisekoffer zur Präsentation des Variel-Systems
  • Modell einer Variel-Elementfabrik
  • Bibliotheksfragment mit 1,2 Laufmetern
  • Film- und Tondokumente


Ausgewählte Literatur



Eigene Schriften
  • Variel-Raumzellen-System, in: Detail 10 (1970), Nr. 1, S. 57–68.
  • Vorgefertigte Stahlbeton-Raumzellen, in: Bauen + Wohnen 27 (1973), Nr. 3, S. 113–116.

Sekundärliteratur
  • Haus mit 3 Wohnungen in Zug, in: Bauen + Wohnen 11 (1957), Nr. 1, S. 14–17.
  • F[ritz] S[tucky], Landhaus Gimmenen bei Zug. 1958, Architekten: Fritz Stucky und Rudolf Meuli, Zug, in: Werk 46 (1959), Nr. 6, S. 200–201 (gez. «F. S.»).
  • Terrassenhäuser in Zug. 1957/60, Architekten: Fritz Stucky und Rudolf Meuli in: Werk 48 (1961), Nr. 2, S. 58–60.
  • Mehrfamilienhaus nach System Elcon, in: Werk 53 (1966), Nr. 4, S. 132–133.
  • Bauforum Zug, Pius Sidler, Reto Nussbaumer (Hg.), Zuger Bautenführer. Ausgewählte Objekte 1920–1990, Zürich 1992.
  • Gian-Marco Jenatsch, Bruno Krucker und Bauforum Zug (Hg.), Werk – Serie. Fritz Stucky, Architekt und Unternehmer, Zürich 2006 (mit Werk- und Literaturverzeichnis).
  • https://www.system-serie.ch/