Bryan Cyril Thurston (* 1933)
Geb. 20. September 1933 in Leiston, Suffolk
Bryan Cyril Thurston ist ein in der Schweiz wirkender britischer Architekt, bildender Künstler und politischer Aktivist.
Thurston stammt aus bescheidenen Verhältnissen. Von 1952 bis 1954 besuchte er die Bauschule des Willesden College of Technology in London (mit Zwischendiplom des Royal Institute of British Architects, RIBA). Gleichzeitig arbeitete er bei Yorke, Rosenberg and Mardall (YRM), was Thurston selbst als «nachhaltige Erfahrung» bezeichnet. Viel Zeit verbrachte er mit Selbststudium in der Bibliothek des RIBA. Dort stiess er nicht zuletzt auf die Publikation von Eduard und Claudia Neuenschwander über den Atelierbetrieb und das Werk von Alvar Aalto (Erlenbach-Zürich 1954). Grossen Eindruck hinterliess ausserdem das Festival of Britain (1951), das jungen britischen Architekten und Künstlern eine publikumswirksame Plattform bot. Mit seiner Lobrede auf diese «ehrliche, gesunde, solide» Ausstellung (BBC, 10. Juli 1951/19. August 1951) prägte sich Le Corbusier Thurston erstmals ein.
1955 zog Thurston nach Zürich. Zunächst arbeitete er bis 1956 bei Otto Zollinger, danach bis 1959 bei Lippert und von Waldkirch. Hier lernte er die Architektin Alice Biro kennen, die wie sein Lehrmeister Cyril Sjöström Mardall bei Alvar Aalto tätig gewesen war. Thurston und Biro arbeiteten danach im Büro Eduard Neuenschwanders jahrelang zusammen, insbesondere an der Projektierung der Kantonsschule Rämibühl in Zürich (1966–1971). Noch während seiner Anstellung bei Neuenschwander (bis 1976) begann Thurston seine Tätigkeit als selbständiger Architekt.
Manche Bauten wie das Atelierhaus Pfister in Bülach (1970–1972) zeigen eine starke Verwandtschaft mit Neuenschwanders Architektur: nach innen geneigte Dachflächen, Fassaden, die aus dem Boden zu wachsen scheinen, höhlenartige, zum Teil doppelgeschossige Innenräume, die sich durch eine komplexe Lichtführung auszeichnen. Beide Architekten gewichten die Materialität hoch: Sichtmauerwerk im Innern, eine visuelle Betonung tragender Elemente sowie eine starke rohe Präsenz von Beton, Backstein und Holz. Die erste Etappe der Berufsschule Rüti (1980, mit Franz Burri, Büro Hans Ochsner) ebenso wie Thurstons künstlerische Originalgrafik enthalten bewusste Anspielungen auf Le Corbusiers architektonisches und künstlerisches Werk. Dies gilt auch für seine Kunstbücher (Les éditions BTC d’architecture), mit denen er für eine «organische Architektur» plädiert, die «kreative, ethische, soziale und ökologisch-ökonomische Aspekte» in Einklang bringt.
Neben einer überschaubaren Anzahl ausgeführter Bauten entwickelte Thurston aus eigener Initiative eine grosse Menge oft utopischer Projekte, darunter etwa eine Erweiterung des Bundeshauses in Bern oder ein Ersatzneubauprojekt für das Kloster Einsiedeln. Die collagenartigen Pläne enthalten verspielte Elemente wie Kräne, gerüstartige Konstruktionen, Brücken, Fähnchen und Banner, bunte Farbflächen und ähnliches. Die zeichnerisch virtuose, extrem verdichtete Plangrafik Thurstons ist mit zahlreichen, manchmal poetischen Notizen durchsetzt und zeugt von einem stets sprudelnden und sprunghaften Ausdruckswillen.
Der von ihm und anderen begeisterten Berggängern 1975 herausgegebene Band zur Greina-Hochebene stand am Anfang einer Bewegung, die in den 1980er Jahren auch in politischen Kreisen ankam und die die Zerstörung dieser Landschaft durch ein Wasserkraft-Projekt schliesslich verhindern konnte.
Alex Winiger
Zitierweise: Alex Winiger, Bestandsbeschrieb Bryan Cyril Thurston, in: Website des gta Archivs / ETH Zürich, Juni 2021, http://www.archiv.gta.arch.ethz.ch/nachlaesse-vorlaesse/bryan-cyril-thurston
© gta Archiv / ETH Zürich und der Autor, alle Rechte bleiben vorbehalten. Dieses Werk darf für nichtkommerzielle, pädagogische Zwecke kopiert und weiterverbreitet werden, wenn die Erlaubnis des Autors und der Inhaber der Nutzungsrechte erteilt ist. Für die Genehmigung wenden Sie sich bitte an das gta Archiv.
In anderen Archiven
Eigene Schriften
Sekundärliteratur
Bryan Cyril Thurston ist ein in der Schweiz wirkender britischer Architekt, bildender Künstler und politischer Aktivist.
Thurston stammt aus bescheidenen Verhältnissen. Von 1952 bis 1954 besuchte er die Bauschule des Willesden College of Technology in London (mit Zwischendiplom des Royal Institute of British Architects, RIBA). Gleichzeitig arbeitete er bei Yorke, Rosenberg and Mardall (YRM), was Thurston selbst als «nachhaltige Erfahrung» bezeichnet. Viel Zeit verbrachte er mit Selbststudium in der Bibliothek des RIBA. Dort stiess er nicht zuletzt auf die Publikation von Eduard und Claudia Neuenschwander über den Atelierbetrieb und das Werk von Alvar Aalto (Erlenbach-Zürich 1954). Grossen Eindruck hinterliess ausserdem das Festival of Britain (1951), das jungen britischen Architekten und Künstlern eine publikumswirksame Plattform bot. Mit seiner Lobrede auf diese «ehrliche, gesunde, solide» Ausstellung (BBC, 10. Juli 1951/19. August 1951) prägte sich Le Corbusier Thurston erstmals ein.
1955 zog Thurston nach Zürich. Zunächst arbeitete er bis 1956 bei Otto Zollinger, danach bis 1959 bei Lippert und von Waldkirch. Hier lernte er die Architektin Alice Biro kennen, die wie sein Lehrmeister Cyril Sjöström Mardall bei Alvar Aalto tätig gewesen war. Thurston und Biro arbeiteten danach im Büro Eduard Neuenschwanders jahrelang zusammen, insbesondere an der Projektierung der Kantonsschule Rämibühl in Zürich (1966–1971). Noch während seiner Anstellung bei Neuenschwander (bis 1976) begann Thurston seine Tätigkeit als selbständiger Architekt.
Manche Bauten wie das Atelierhaus Pfister in Bülach (1970–1972) zeigen eine starke Verwandtschaft mit Neuenschwanders Architektur: nach innen geneigte Dachflächen, Fassaden, die aus dem Boden zu wachsen scheinen, höhlenartige, zum Teil doppelgeschossige Innenräume, die sich durch eine komplexe Lichtführung auszeichnen. Beide Architekten gewichten die Materialität hoch: Sichtmauerwerk im Innern, eine visuelle Betonung tragender Elemente sowie eine starke rohe Präsenz von Beton, Backstein und Holz. Die erste Etappe der Berufsschule Rüti (1980, mit Franz Burri, Büro Hans Ochsner) ebenso wie Thurstons künstlerische Originalgrafik enthalten bewusste Anspielungen auf Le Corbusiers architektonisches und künstlerisches Werk. Dies gilt auch für seine Kunstbücher (Les éditions BTC d’architecture), mit denen er für eine «organische Architektur» plädiert, die «kreative, ethische, soziale und ökologisch-ökonomische Aspekte» in Einklang bringt.
Neben einer überschaubaren Anzahl ausgeführter Bauten entwickelte Thurston aus eigener Initiative eine grosse Menge oft utopischer Projekte, darunter etwa eine Erweiterung des Bundeshauses in Bern oder ein Ersatzneubauprojekt für das Kloster Einsiedeln. Die collagenartigen Pläne enthalten verspielte Elemente wie Kräne, gerüstartige Konstruktionen, Brücken, Fähnchen und Banner, bunte Farbflächen und ähnliches. Die zeichnerisch virtuose, extrem verdichtete Plangrafik Thurstons ist mit zahlreichen, manchmal poetischen Notizen durchsetzt und zeugt von einem stets sprudelnden und sprunghaften Ausdruckswillen.
Der von ihm und anderen begeisterten Berggängern 1975 herausgegebene Band zur Greina-Hochebene stand am Anfang einer Bewegung, die in den 1980er Jahren auch in politischen Kreisen ankam und die die Zerstörung dieser Landschaft durch ein Wasserkraft-Projekt schliesslich verhindern konnte.
Alex Winiger
Zitierweise: Alex Winiger, Bestandsbeschrieb Bryan Cyril Thurston, in: Website des gta Archivs / ETH Zürich, Juni 2021, http://www.archiv.gta.arch.ethz.ch/nachlaesse-vorlaesse/bryan-cyril-thurston
© gta Archiv / ETH Zürich und der Autor, alle Rechte bleiben vorbehalten. Dieses Werk darf für nichtkommerzielle, pädagogische Zwecke kopiert und weiterverbreitet werden, wenn die Erlaubnis des Autors und der Inhaber der Nutzungsrechte erteilt ist. Für die Genehmigung wenden Sie sich bitte an das gta Archiv.
Bestand
- 7 Planschrankschubladen Originalpläne zu circa 300 Bauten und Projekten
- 9 Hängeregisterschubladen mit Dokumentationen, darunter collagierten Tagebüchern
- 31 Modelle
In anderen Archiven
- Künstlerische Druckgrafik, Skizzenbücher in der Graphischen Sammlung der Schweizerischen Nationalbibliothek in Bern
- Unterlagen zu Bauten und Projekten in der Scuola universitaria professionale della Svizzera italiana (SUPSI), Mendrisio
Ausgewählte Literatur
Eigene Schriften
- Natur und Mensch. Schweizerische Blätter für Natur- und Heimatschutz 17 (1975), Nr. 2: La Greina. Bergland der unbändigen Natur.
- Atelierhaus in Bülach, in: Werk, Bauen + Wohnen 67 (1980), Nr. 5, S. 24–27.
- Greina. Prosa – Unverdorbene Landschaft / Greina. Prose – Unspoilt Mountain-Landscape, Disentis 1980 (mit Toni Halter, Remo Beretta, Ubaldo Monico).
- Landschaft – Architektur, Disentis 1987.
- Bregaglia. Landschaftsform als Ausdruck zeitloser Alternativen, Männedorf 1991.
- Bryan Cyril Thurston. Workbook, 4 Bde., Uerikon 1998–2001.
- Module. Manual for Architects and Architectural Students, Uerikon 2002–2003.
- Architectural Fragments 2002–2005, Uerikon 2005.
- Designs, Plans 2002–2008, Uerikon 2008.
- Designs, Plans 2008–2010. Architecture Is Sacred – towards a Human Architecture, Uerikon 2010.
- Bregaglia 2. Re-construction of a Partly Lost Paradise, Uerikon 2013.
Sekundärliteratur
- Martin Kärcher, Licht und Farbe [Berufsschule Rüti], in: Hochparterre 8 (1995), Nr. 10, S. 34–35.
- Le Corbusier parle …1951, übers. von Emanuelle Morgan, in: Twentieth Century Architecture 5 (2001): Festival of Britain, hg. von E. Harwood und A. Powers, S. 8–10.
- Cordula Seger, Der Querdenker, in: Hochparterre 23 (2001), Nr. 3, S. 22.
- Neil Parkyn, Book [Rezension von Bryan Cyril Thurstons Buch «Œuvre complète, Bd. 1: Architecture, Artwork 1950–1997»], in: Architects’ Journal, 31. August 2006, S. 51.
- Mechtild Heuser, The Life of Bryan, in: Architects’ Journal, 14. September 2013.
- Urs Bühler, «Das Leben des Bryan», in: Neue Zürcher Zeitung, 20. September 2013.