Arthur Rüegg (* 1942)

Geb. 18. März 1942 in Bülach ZH

Arthur Rüegg, Architekt und emeritierter Professor der ETH Zürich, hat schon früh Entwerfen und Bauen mit Forschung und Lehre verknüpft. Sein Weiterbauen im städtischen Kontext galt in den 1970er und 1980er Jahren als Referenz für die städtebauliche Diskussion in der Schweiz, seine akribischen Restaurierungen setzten neue Massstäbe für den Umgang mit Baudenkmälern und seine zahlreichen Publikationen öffnen den Blick gleichermassen für Spezialfragen der Architektur wie für die Wohnkultur des 20. Jahrhunderts. Rüegg gehört heute weltweit zu den wichtigsten Experten für Architektur, Wohnkultur, Interieurs und Möbel der klassischen Moderne.

Rüegg studierte bei Heinrich Bernhard Hoesli und Alfred Roth Architektur an der ETH Zürich (1961–1967). Nach dem Diplom arbeitete er bei Naef, Studer und Studer in Zürich, bei Andrault & Parat in Paris sowie bei Perry, Dean & Stewart in Boston. Dort lernte er Ueli Marbach kennen; gemeinsam mit Bruno Pfister nahmen sie 1970 am international ausgeschriebenen Wettbewerb für die Sanierung der Karlsruher Altstadt teil. Die jungen Architekten gewannen mit ihrer Synchronisation von alt und neu einen 1. Preis und kehrten für die Ausarbeitung in die Schweiz zurück. 1971 gründeten Rüegg, Marbach und Heinz Ronner das als offene Struktur mit unterschiedlichen Konstellationen gedachte Architekturbüro ARCOOP. Es entstanden die bedeutenden, allerdings wie die Planung für Karlsruhe nicht realisierten Projekte für die Grün 80, die 1980 stattfindende 2. Schweizerische Landesausstellung für Garten- und Landschaftsbau (1976/77, mit Arnold Amsler und Heinrich Bernhard Hoesli) oder das Wohnhaus Zollikofer in St. Gallen (1974–1977, mit Hoesli).

Mit den Mehrfamilienhäusern Manessehof in Zürich (1977–1984) und dem Wohn- und Geschäftshaus für eine Baulücke in der Spalenvorstadt in Basel (1981–1984) knüpften Marbach und Rüegg an ihren wegweisenden Karlsruher Beitrag zum Weiterbauen im städtischen Kontext an. Die Renovierung des Zentrums Karl der Grosse (1981–1984) und die Erweiterung und Renovierung der Villa Bleuler für das Schweizerische Institut für Kunstwissenschaften (1988–1993) in Zürich waren die ersten einer Serie von Restaurierungen, für die Rüegg heute bekannt ist. Mit der umfassend dokumentierten Gesamtsanierung der Werkbundsiedlung Neubühl (1983–1985) begann die bauliche Auseinandersetzung mit dem Neuen Bauen, die 1993/94 mit den Doldertalhäusern von Alfred und Emil Roth mit Marcel Breuer oder dem Kindergartenhaus von Hans Hofmann und Adolf Kellermüller (2000–2002), alle in Zürich, ihre Fortsetzung fand.

Seit 1998 führte Rüegg ein eigenes Architekturbüro in Zürich, das die Arbeit von ARCOOP nahtlos fortsetzte und erneut zum Teil in unterschiedlichen Konstellationen wirkte. In Arbeitsgemeinschaft mit Silvio Schmed entstanden modellhafte Eingriffe an historischen Objekten, denen das Bewahren als Entwurfskonzept zugrunde lag, so beispielsweise die Erweiterung der Verkaufsräume der Wohnbedarf AG in Zürich (1996) oder die Erneuerung und Erweiterung des Zürcher Kinos Studio 4 (2001–2003). Zu den prominenten Beispielen jüngeren Datums gehören die wiederholte Restaurierung der Kunstgewerbeschule Zürich (2013–2017) sowie die sorgfältige Restaurierung des Pavillons Le Corbusier (2015–2019) in Zürich.

Als die Erdölkrise 1973/74 alle interdisziplinären Planungsaufträge von ARCOOP zum Stillstand gebracht hatte, begann Rüegg seine Tätigkeit in der Lehre. Erst als Assistent am Entwurfslehrstuhl von Dolf Schnebli (1974–1979), dann als Visiting Professor an der Syracuse University in New York (1979), später als Gastprofessor (1984–1988) und schliesslich als ordentlicher Professor für Architektur und Konstruktion (1991–2007) an der Architekturabteilung der ETH Zürich verstand er es, Bauen, Lehren und Forschen aufs Engste zu verknüpfen. In der Lehre thematisierte er sowohl städtebauliche als auch architektonische Fragen. Mit konzentrierten Fallstudien einzelner Bauten oder Siedlungen schuf er nicht zuletzt auch die Grundlagen für das legendäre Wahlfach «Konstruktive Konzepte der Moderne», das durch die verbindende Analyse von Konstruktion, Produktion und formalem Ausdruck als Initialzündung für die wissenschaftliche Aufarbeitung der Moderne in der Schweiz gesehen werden kann.

Bereits während seiner Zeit an der Syracuse University initiierte Rüegg mit landscapes (1979, mit Amsler und Hoesli) die erste einer langen Reihe von Ausstellungen, die das breite Themenspektrum im Werk von Rüegg wiedergeben. Unter seiner Mitwirkung entstanden zahlreiche Ausstellungen zu namhaften Exponenten der Moderne, zu Interieurs und zum Möbeldesign. Einen eigentlichen Schwerpunkt bilden die teilweise gemeinsam mit Stanislaus von Moos kuratierten Ausstellungen zum Werk und zur Person Le Corbusiers wie Le Corbusier. The Art of Architecture (2007–2009) und 2020 Le Corbusier in Zürich. Das 1989 erschienene Buch Schweizer Typenmöbel 1925–1935 markiert den Anfang einer Reihe von Publikationen zu Architektur, Innenarchitektur, Möbeldesign und Fotografie. Einige davon, so etwa Le Corbusier. Polychromie architecturale (1997, 2006, 2015), Schweizer Möbel und Interieurs im 20. Jahrhundert (2002), Le Corbusier. Möbel und Interieurs 1905–1965 (2012) oder die Publikation zur Ausstellung 100 Jahre Schweizer Design (2014) gelten heute als Standardwerke.

2008 wurde Arthur Rüegg vom Bundesamt für Kultur mit dem Prix Meret Oppenheim für sein Lebenswerk ausgezeichnet. Seine bedeutende Sammlung von Möbeln, die er als «Archäologe der Moderne» ein Berufsleben lang gesammelt und erforscht hat, machte er durch eine Schenkung an das Museum für Gestaltung in Zürich 2015 öffentlich.

Gabriela Güntert und Sabine Sträuli

Zitierweise: Gabriela Güntert/Sabine Sträuli, Bestandsbeschrieb Arthur Rüegg, in: Website gta Archiv / ETH Zürich, März 2021, archiv.gta.arch.ethz.ch/nachlaesse-vorlaesse/arthur-rueegg
© gta Archiv / ETH Zürich und die Autorinnen, alle Rechte bleiben vorbehalten. Dieses Werk darf für nichtkommerzielle, pädagogische Zwecke kopiert und weiterverbreitet werden, wenn die Erlaubnis der Autorinnen und der Inhaber der Nutzungsrechte erteilt ist. Für die Genehmigung wenden Sie sich bitte an das gta Archiv.


Bestand



Der Bestand enthält Material zu rund 100 von Arthur Rüeggs Bauten, Entwürfen und Projekten aus der Zeit zwischen 1998 und 2017. Zu einzelnen älteren Bauten, die unter ARCOOP entstanden sind, gibt es nur wenige Materialien, eine umfassendere Dokumentation ist im Bestand von Ueli Marbach vorhanden, ebenfalls im gta Archiv. In Konvoluten geordnet finden sich neben Biografischem zu Person, Ausbildung und Lehre auch verschiedene Aufsätze, Texte und Publikationen von Rüegg sowie Expertisen und eine konzentrierte Dokumentationsbibliothek. In diesen thematischen Teil wurde auch eine Diasammlung aufgenommen, die das ganze Spektrum seiner Interessen und seines Wirkens umfasst, Materialien zu Themen wie die Polychromie architecturale sowie ein kleines Konvolut mit ausgewählter Literatur zur Farbenlehre. Ein umfangreiches, in sich geschlossenes Themenfeld betrifft die Publikation zu den Möbeln und Interieurs von Le Corbusier, Pierre Jeanneret und Charlotte Perriand (Le Corbusier. Möbel und Interieurs 1905–1965, 2012). Ebenfalls in Konvoluten zusammengefasst sind die «case studies», die ausgewählte Bauten der Moderne analysieren, Publikationen zur Wohnkultur der Schweiz sowie Materialien zu rund 40 Ausstellungen, an denen Rüegg massgeblich beteiligt war.
Der Bestand ist vollständig geordnet und objekt- oder konvolutweise in der Datenbank erfasst. Er umfasst:
  • 4 Planschubladen
  • 6 Hängeregisterschränke
  • 29 Planrollen
  • 31 Laufmeter Archivschachteln
  • 4 Modelle

Unterlagen in weiteren Beständen des gta Archivs

In anderen Archiven


Ausgewählte Literatur



Eigene Schriften
  • Schweizer Typenmöbel 1925–1935. Sigfried Giedion und die Wohnbedarf AG, Zürich 1989 (mit Friederike Mehlau-Wiebking und Ruggero Tropeano).
  • Werkbundsiedlung Neubühl in Zürich-Wollishofen 1928–1932. Ihre Entstehung und Erneuerung, Zürich 1990 (mit Ueli Marbach).
  • Wege zur Guten Form. 9 Beiträge zur Geschichte der Schweizer Produktgestaltung, Basel/Boston/Berlin 1995 (mit Ruggero Tropeano).
  • Die Doldertalhäuser 1932–1936. Ein Hauptwerk des Neuen Bauens in Zürich, Zürich 1996.
  • Das Atelierhaus Max Bill 1932/33. Eine Baumonografie, Sulgen 1997.
  • Polychromie architecturale. Le Corbusiers Farbenklaviaturen von 1931 und 1959 / Le Corbusier’s Color Keyboards from 1931 and 1959 / Les Claviers de couleurs de Le Corbusier de 1931 et de 1959, 3 Bde., Basel/Boston/Berlin 1997.
  • Le Corbusier. Photographs by René Burri / Magnum. Moments in the Life of a Great Architect, Basel/Boston/Berlin 1999.
  • Konstruktive Konzepte der Moderne. Fallstudien aus dem 20. Jahrhundert, Sulgen 2001 (mit Bruno Krucker).
  • Le Corbusier before Le Corbusier. Applied Arts, Architecture, Painting, Photography 1907–1922, New Haven/London 2002 (Hg. mit Stanislaus von Moos).
  • Schweizer Möbel und Interieurs im 20. Jahrhundert, Basel/ Boston/Berlin 2002 (Hg. im Auftrag der Stiftung Good Goods Bern).
  • (Hg.), Charlotte Perriand. Livre de bord 1928–1933, Basel/Boston/Berlin 2004.
  • Kongresshaus Zürich 1937–1939. Moderne Raumkultur, Zürich 2007 (mit Reto Gadola).
  • 40 Europäische Wohn-Ikonen. Neu gesehen, Zürich 2007 (Hg. mit Lukas Felder).
  • Le Corbusier. The Art of Architecture, Weil am Rhein 2007 (Hg. mit Alexander von Vegesack, Stanislaus von Moos, Mateo Kries).
  • Le Corbusier. Möbel und Interieurs 1905–1965, Paris/Zürich 2012 (in Zusammenarbeit mit Klaus Spechtenhauser).
  • 100 Jahre Schweizer Design, Zürich 2014 (Hg. mit Christian Brändle, Renate Menzi).
  • Sammeln heisst Forschen. Interieurs und Möbel der Donationen Arthur Rüegg und Ruggero Tropeano / Collecting as Research. Interiors and Furnishings Donated by Arthur Rüegg and Ruggero Tropeano, Zürich 2015.

Sekundärliteratur
  • Ueli Marbach, Arthur Rüegg, ARCOOP, in: archithese, 25 (1995), Nr. 5, S. 22–25.
  • Martin Tschanz, Marbach und Rüegg, in: Isabelle Rucki und Dorothee Huber (Hg.), Architektenlexikon der Schweiz. 19./20. Jahrhundert, Basel/Boston/Berlin 1998, S. 358–359.
  • Archäologie der Moderne. Judit Solt im Gespräch mit Arthur Rüegg, in: Bundesamt für Kultur (Hg.), Prix Meret Oppenheim 2008, Bern 2009, S. 84–105.