Albert Heinrich Steiner (1905–1996)
Geb. 26. Juli 1905 in Zürich, gest. 21. September 1996 in Zollikon
Albert Heinrich Steiner begann 1924 ein Architekturstudium an der ETH Zürich. 1926 wechselte er an die Technische Hochschule München, wo er nach einem Praxisjahr im Büro von Oswald Bieber 1929 bei Theodor Fischer diplomierte. Zurück in der Schweiz arbeitete er drei Jahre lang bei Otto Rudolf Salvisberg in Bern und Zürich. 1933 machte er sich in seiner Heimatstadt selbständig. 1943 wurde er als Nachfolger von Hermann Herter zum Stadtbaumeister von Zürich berufen. Seit 1950 hatte er an der ETH Zürich einen Lehrauftrag für «Städtebauliche Theorie und Praxis», 1957 wurde er zum Professor für Architektur und Städtebau ernannt. Nach seiner Emeritierung im Jahr 1971 führte er wieder ein eigenes Büro.
Auf all seinen Wirkungsfeldern entfaltete Steiner eine erfolgreiche und weitgespannte berufliche Tätigkeit. In seiner Amtszeit als Stadtbaumeister und als Mitglied des Zürcher Baukollegiums nahm er als Architekt zahlreicher öffentlicher Bauten und Siedlungen sowie mit seiner umfassenden Planungstätigkeit grossen Einfluss auf die bauliche Entwicklung von Zürich. Er beschäftigte sich ebenso intensiv mit der Kernstadt (u. a. 1945 Gründung des Büros für Altstadtsanierung, Planungen für die Seeufer) wie mit Bebauungsplänen für die Aussenquartiere. Ein nachhaltiges Resultat war die 1947 vom Souverän gutgeheissene «neue Bauordnung mit Zonenplan», die Standorte für Industrie- und Gewerbezonen sowie für Wohn- und Erholungszonen festlegte. In Aussenquartieren wie Seebach und Schwamendingen oder in der von Steiner entworfenen Siedlung Heiligfeld, einer gemischten Überbauung mit den ersten Wohnhochhäusern von Zürich (1951–1955), sind die Prinzipien der durchgrünten, aufgelockerten Stadt mit zentralen öffentlichen Einrichtungen bis heute gut sichtbar. Ansatzpunkt war trotz der auffälligen Ähnlichkeit weniger Hans Bernhard Reichows Organische Stadtbaukunst (1948) als die Idee der «gewachsenen Stadt», deren «Persönlichkeit» es weiterzuentwickeln gelte.
Noch als Privatarchitekt hatte Steiner 1938 die Wettbewerbe für die protestantische Markuskirche in Zürich-Seebach (wegen des Zweiten Weltkriegs erst 1948 fertiggestellt) sowie für das Schulhaus Kornhausbrücke (1941–1943) gewonnen. Höhepunkte der Karriere als praktischer Architekt waren zum einen das Krematorium Nordheim am Waidberg (1963–1967, verschiedene Erweiterungen 1974–1993), das eine Verwandtschaft mit Gunnar Asplunds Waldfriedhof in Stockholm aufweist, zum anderen die Realisierung der ersten Bauetappe des Campus der ETH Zürich auf dem Hönggerberg (1957–1984). Die erste Campus-Hochschule der Schweiz war der Idee der «durchgrünten Weiträumigkeit» verpflichtet. Sie sollte gleichermassen moderne Bildungseinrichtung und Teil des Naherholungsgebietes sein. Steiners letzte Jahre waren geprägt vom erfolglosen Kampf für die konsequente Durchsetzung dieser ursprünglichen städtebaulichen Konzeption in den Folgeplanungen.
Unmittelbar nach dem Zweiten Weltkrieg war Steiner von den amerikanischen Besatzungsbehörden als Experte für den Wiederaufbau nach Deutschland eingeladen worden. In dieser Zeit erneuerte er die Kontakte zu seinen Münchner Studienkollegen. Eine Berufung an die Technische Universität München schlug er 1952 zwar aus, doch er war während seiner Zeit an der ETH im Nachbarland ein gefragter Planungsexperte. Von 1958 bis 1960 wirkte er am Wirtschafts- und Generalplan München mit, unmittelbar danach in Köln im Sonderausschuss zur Gestaltung der Domumgebung (1961–1966). Von 1965 bis 1967 war er Mitglied der Unabhängigen Kommission für den Aufbauplan der Freien und Hansestadt Hamburg. Beim Ideenwettbewerb Hauptstadt-Berlin (1957/1958) gehörte er wie Le Corbusier, Sven Markelius und Hans Scharoun zu den neun «besonders eingeladenen Architekten». Die monumentalen Achsen und Symmetrien, die er vorschlug – aus seiner Sicht für die Repräsentation einer Weltstadt unverzichtbare Elemente –, wurden von der Jury kritisiert und das Projekt nicht rangiert; im Rahmen der Hauptstadtdiskussion nach der Wiedervereinigung wurde das Projekt in einer Ausstellung im Martin-Gropius-Bau wieder zur Diskussion gestellt und im Katalog äusserst positiv bewertet. Bereits 1981 war Steiner von der Freien und Hansestadt Hamburg der Fritz-Schumacher-Preis für seine Leistungen auf dem Gebiet des Städtebaus verliehen worden.
Bruno Maurer
Zitierweise: Bruno Maurer, Bestandsbeschrieb Albert Heinrich Steiner, in: Website gta Archiv / ETH Zürich, November 2020, archiv.gta.arch.ethz.ch/nachlaesse-vorlaesse/albert-heinrich-steiner
© gta Archiv / ETH Zürich und der Autor, alle Rechte bleiben vorbehalten. Dieses Werk darf für nichtkommerzielle, pädagogische Zwecke kopiert und weiterverbreitet werden, wenn die Erlaubnis des Autors und der Inhaber der Nutzungsrechte erteilt ist. Für die Genehmigung wenden Sie sich bitte an das gta Archiv.
Der Nachlass enthält Pläne, Fotografien, Modellaufnahmen, Akten und vereinzelte Modelle zu rund 100 Bauten und Entwürfen. Hinzukommen Unterlagen zur Lehre sowie eine Materialsammlung zu Städte- und Siedlungsbau, Konvolute von Schriften und Vorträgen, Juryakten und Gutachten, Akten zu Verbänden und Kommissionen, Korrespondenz, eine Sammlung von Diapositiven sowie Steiners Bibliothek.
Der Bestand umfasst:
Der grösste Teil der Akten und Pläne zur Tätigkeit als Stadtbaumeister liegen im Stadtarchiv Zürich und im Baugeschichtlichen Archiv der Stadt Zürich.
Eigene Schriften
Sekundärliteratur
Albert Heinrich Steiner begann 1924 ein Architekturstudium an der ETH Zürich. 1926 wechselte er an die Technische Hochschule München, wo er nach einem Praxisjahr im Büro von Oswald Bieber 1929 bei Theodor Fischer diplomierte. Zurück in der Schweiz arbeitete er drei Jahre lang bei Otto Rudolf Salvisberg in Bern und Zürich. 1933 machte er sich in seiner Heimatstadt selbständig. 1943 wurde er als Nachfolger von Hermann Herter zum Stadtbaumeister von Zürich berufen. Seit 1950 hatte er an der ETH Zürich einen Lehrauftrag für «Städtebauliche Theorie und Praxis», 1957 wurde er zum Professor für Architektur und Städtebau ernannt. Nach seiner Emeritierung im Jahr 1971 führte er wieder ein eigenes Büro.
Auf all seinen Wirkungsfeldern entfaltete Steiner eine erfolgreiche und weitgespannte berufliche Tätigkeit. In seiner Amtszeit als Stadtbaumeister und als Mitglied des Zürcher Baukollegiums nahm er als Architekt zahlreicher öffentlicher Bauten und Siedlungen sowie mit seiner umfassenden Planungstätigkeit grossen Einfluss auf die bauliche Entwicklung von Zürich. Er beschäftigte sich ebenso intensiv mit der Kernstadt (u. a. 1945 Gründung des Büros für Altstadtsanierung, Planungen für die Seeufer) wie mit Bebauungsplänen für die Aussenquartiere. Ein nachhaltiges Resultat war die 1947 vom Souverän gutgeheissene «neue Bauordnung mit Zonenplan», die Standorte für Industrie- und Gewerbezonen sowie für Wohn- und Erholungszonen festlegte. In Aussenquartieren wie Seebach und Schwamendingen oder in der von Steiner entworfenen Siedlung Heiligfeld, einer gemischten Überbauung mit den ersten Wohnhochhäusern von Zürich (1951–1955), sind die Prinzipien der durchgrünten, aufgelockerten Stadt mit zentralen öffentlichen Einrichtungen bis heute gut sichtbar. Ansatzpunkt war trotz der auffälligen Ähnlichkeit weniger Hans Bernhard Reichows Organische Stadtbaukunst (1948) als die Idee der «gewachsenen Stadt», deren «Persönlichkeit» es weiterzuentwickeln gelte.
Noch als Privatarchitekt hatte Steiner 1938 die Wettbewerbe für die protestantische Markuskirche in Zürich-Seebach (wegen des Zweiten Weltkriegs erst 1948 fertiggestellt) sowie für das Schulhaus Kornhausbrücke (1941–1943) gewonnen. Höhepunkte der Karriere als praktischer Architekt waren zum einen das Krematorium Nordheim am Waidberg (1963–1967, verschiedene Erweiterungen 1974–1993), das eine Verwandtschaft mit Gunnar Asplunds Waldfriedhof in Stockholm aufweist, zum anderen die Realisierung der ersten Bauetappe des Campus der ETH Zürich auf dem Hönggerberg (1957–1984). Die erste Campus-Hochschule der Schweiz war der Idee der «durchgrünten Weiträumigkeit» verpflichtet. Sie sollte gleichermassen moderne Bildungseinrichtung und Teil des Naherholungsgebietes sein. Steiners letzte Jahre waren geprägt vom erfolglosen Kampf für die konsequente Durchsetzung dieser ursprünglichen städtebaulichen Konzeption in den Folgeplanungen.
Unmittelbar nach dem Zweiten Weltkrieg war Steiner von den amerikanischen Besatzungsbehörden als Experte für den Wiederaufbau nach Deutschland eingeladen worden. In dieser Zeit erneuerte er die Kontakte zu seinen Münchner Studienkollegen. Eine Berufung an die Technische Universität München schlug er 1952 zwar aus, doch er war während seiner Zeit an der ETH im Nachbarland ein gefragter Planungsexperte. Von 1958 bis 1960 wirkte er am Wirtschafts- und Generalplan München mit, unmittelbar danach in Köln im Sonderausschuss zur Gestaltung der Domumgebung (1961–1966). Von 1965 bis 1967 war er Mitglied der Unabhängigen Kommission für den Aufbauplan der Freien und Hansestadt Hamburg. Beim Ideenwettbewerb Hauptstadt-Berlin (1957/1958) gehörte er wie Le Corbusier, Sven Markelius und Hans Scharoun zu den neun «besonders eingeladenen Architekten». Die monumentalen Achsen und Symmetrien, die er vorschlug – aus seiner Sicht für die Repräsentation einer Weltstadt unverzichtbare Elemente –, wurden von der Jury kritisiert und das Projekt nicht rangiert; im Rahmen der Hauptstadtdiskussion nach der Wiedervereinigung wurde das Projekt in einer Ausstellung im Martin-Gropius-Bau wieder zur Diskussion gestellt und im Katalog äusserst positiv bewertet. Bereits 1981 war Steiner von der Freien und Hansestadt Hamburg der Fritz-Schumacher-Preis für seine Leistungen auf dem Gebiet des Städtebaus verliehen worden.
Bruno Maurer
Zitierweise: Bruno Maurer, Bestandsbeschrieb Albert Heinrich Steiner, in: Website gta Archiv / ETH Zürich, November 2020, archiv.gta.arch.ethz.ch/nachlaesse-vorlaesse/albert-heinrich-steiner
© gta Archiv / ETH Zürich und der Autor, alle Rechte bleiben vorbehalten. Dieses Werk darf für nichtkommerzielle, pädagogische Zwecke kopiert und weiterverbreitet werden, wenn die Erlaubnis des Autors und der Inhaber der Nutzungsrechte erteilt ist. Für die Genehmigung wenden Sie sich bitte an das gta Archiv.
Bestand
Der Nachlass enthält Pläne, Fotografien, Modellaufnahmen, Akten und vereinzelte Modelle zu rund 100 Bauten und Entwürfen. Hinzukommen Unterlagen zur Lehre sowie eine Materialsammlung zu Städte- und Siedlungsbau, Konvolute von Schriften und Vorträgen, Juryakten und Gutachten, Akten zu Verbänden und Kommissionen, Korrespondenz, eine Sammlung von Diapositiven sowie Steiners Bibliothek.
Der Bestand umfasst:
- 26 Laufmeter Schachteln
- 16 Laufmeter Ordner und offenes Material Aktenschränken
- 15 Planrollenschachteln
- 28 Planschubladen
- 24 Hängeregister-Schubladen
- 10 Laufmeter Bibliothek
Der grösste Teil der Akten und Pläne zur Tätigkeit als Stadtbaumeister liegen im Stadtarchiv Zürich und im Baugeschichtlichen Archiv der Stadt Zürich.
Ausgewählte Literatur
Eigene Schriften
- Hochbauamt der Stadt Zürich (Hg.), Der soziale Wohnungsbau und seine Förderung in Zürich 1942–1947, Erlenbach 1948.
- Die bauliche Entwicklung der Stadt Zürich und ihre Beeinflussung durch die Planung, in: Zürich einst und jetzt. Gedenkschrift zum 600. Jahrestag des Eintritts Zürichs in den Bund 1351–1951, Zürich 1951, S. 93–106.
- Die Zürcher Altstadt und ihre Sanierung, in: Jahrbuch vom Zürichsee, 15 (1952/53), S. 238–253.
- Die Situation des Städtebaues in unserer Zeit. Antrittsvorlesung gehalten am 28. Juni 1958 an der ETH Zürich, in: Schweizerische Bauzeitung, 76 (1958), Nr. 40, S. 591–593.
Sekundärliteratur
- Zum 70. Geburtstag von Prof. A. H. Steiner, in: Schweizerische Bauzeitung, 93 (1975), Nr. 34, S. 527–533.
- Max Bosshard und Christoph Luchsinger, Zürich. Der Ausbau einer Stadt; dies., Gespräch mit Albert Heinrich Steiner, in: archithese, 17 (1986), Nr. 5, S. 24–34.
- Hauptstadt Berlin, Berlin 1990, S. 182–187.
- Albert Heinrich Steiner. Architekt und Stadtplaner, Stadtbaumeister, Hochschullehrer. Das kleine Forum in der Stadelhofer Passage, Ausstellungsbroschüre, Zürich 1994.
- Pietro Maggi, Steiner, Albert Heinrich, in: Isabelle Rucki und Dorothee Huber, Architektenlexikon der Schweiz 19./20. Jahrhundert, Basel/Boston/Berlin 1998, S. 514–515.
- Ruedi Weidmann, Hochhaus und Hochkonjunktur. Planung und Bau der ersten Hochhäuser in Zürich 1946–1952, Liz.-Arbeit, Universität Zürich 2000.
- Daniel Kurz, Christine Morra-Barrelet und Ruedi Weidmann, Das öffentliche Bauwesen in Zürich, T. 4: Das städtische Bauamt 1907–1957, Zürich/Egg 2000.
- Werner Oechslin (Hg.), Albert Heinrich Steiner. Architekt, Städtebauer, Lehrer, Zürich 2001 (mit Werkkatalog).
- Angelus Eisinger, Städte bauen. Städtebau und Stadtentwicklung in der Schweiz 1940–1970, Zürich 2004.
- Werner Oechslin (Hg.), Hochschuldstadt Zürich. Bauten für die ETH 1855–2005, Zürich 2005.
- Daniel Kurz, Die Disziplinierung der Stadt. Moderner Städtebau in Zürich 1900 bis 1940, Zürich 2008.
- Kerstin Renz, Testfall der Moderne. Diskurs und Transfer im Schulbau der 1950er Jahre, Tübingen 2016.
- Bruno Maurer, Steiner, Albert Heinrich, in: Allgemeines Künstlerlexikon AKL – Internationale Künstlerdatenbank online [2019].