Martin Rotach (1928–2007)
Geb. 15. September 1928 in Zürich, gest. 19. März 2007 in Männedorf
Martin Rotach studierte von 1947 bis 1952 Bauingenieurwesen an der ETH Zürich. Von 1954 bis 1955 absolvierte er ein Nachdiplomstudium als Verkehrsingenieur beim Bureau of Highway Traffic an der Yale University in New Haven, Connecticut. Anschliessend kehrte er als Assistent am Lehrstuhl für Eisenbahn- und Strassenbau an die ETH Zürich zurück. Von 1961 bis 1963 arbeitete Rotach als Thurgauer Kantonsingenieur. Ende 1963 berief ihn der ETH-Schulrat als ordentlicher Professor auf den Lehrstuhl für Verkehrsingenieurwesen. Gleichzeitig übernahm Rotach die Direktion des 1961 gegründeten Instituts für Orts-, Regional- und Landesplanung (ORL) an der ETH Zürich. Ende 1971 gab er die ORL-Leitung ab und liess sich von der ETH für zwei Jahre beurlauben, um als Beauftragter des Bundes für Raumplanung nach Bern zu wechseln. In dieser Funktion koordinierte er die Ausarbeitung eines Bundesgesetzes über die Raumplanung (RPG) und unterstützte die Kantone bei der Umsetzung des Bundesbeschlusses über dringliche Massnahmen auf dem Gebiete der Raumplanung von 1969. Bei seiner Rückkehr an die ETH Zürich anfangs 1975 brachte Rotach seinen Lehrstuhl in das Institut für Verkehrsplanung und Transporttechnik (IVT) ein. Am IVT forschte und lehrte Rotach bis zu seiner Emeritierung im Herbst 1993.
Rotach gehörte zu den bedeutendsten Exponenten der schweizerischen Verkehrs- und Raumplanung, die ab Mitte der 1960er-Jahre eine intensive Phase der Professionalisierung und Institutionalisierung erlebte. Seine Arbeit zeichnete sich dadurch aus, dass er Probleme der Verkehrs- und Raumplanung nicht allein aus bauingenieurlicher Perspektive bearbeitete, sondern interdisziplinäre Forschungsansätze verfolgte. In einem von Rotachs wichtigsten Projekten, den Landesplanerischen Leitbildern, die das ORL-Institut im Auftrag des Bundes von 1968 bis 1971 erstellte, kam der interdisziplinäre Forschungsansatz zu einer ersten Blüte: Neben Verkehrs- und Raumplanern wirkten daran auch Ökonomen, Soziologen, Juristen, Kulturingenieure, Geographen und Vertreter zahlreicher weiterer Forschungsrichtungen mit. Zweck der Landesplanerischen Leitbilder war, schematische Hinweise für die künftige Entwicklung von Flächennutzung und Besiedlungsstruktur sowie Infrastrukturen und zentralen Einrichtungen für Behörden, Politik und Öffentlichkeit bereitzustellen. Diese Arbeit kann in verschiedener Hinsicht als Pioniertat gewertet werden: Einerseits trugen die konzeptionellen, methodischen und organisatorischen Leistungen des ORL-Instituts dazu bei, ein systemtheoretisch und auf Ganzheitlichkeit ausgerichtete Planungsverständnis in der Schweiz zu etablieren. Andererseits wurde eine Vielzahl verkehrlicher, geographischer, ökonomischer und demographischer Daten erstmals erhoben und als statistische Basis für umfassende Planungsmodelle eingesetzt.
Nach dem Abschluss der Landesplanerischen Leitbilder widmete sich Rotach als Beauftragter des Bundes für Raumplanung der Ausarbeitung eines ersten RPG-Entwurfs. Dieser fand 1974 die Zustimmung des Parlaments, erlitt in der Volksabstimmung vom 13. Juni 1976 jedoch Schiffbruch. Obwohl er im Rahmen von Beratungsgremien und Kommissionen – vorab in der Kommission für die Gesamtverkehrskonzeption Schweiz sowie der Kommission für die Gesamtenergiekonzeption – weiterhin für den Bund tätig war, kehrte Rotach Ende 1974 auf seinen Lehrstuhl an die ETH Zürich zurück. Diesen löste er mitsamt den angegliederten Mitarbeitern aus dem ORL-Institut heraus und machte ihn zum Kern des Instituts für Verkehrsplanung und Transporttechnik (IVT), an dessen Gründung im Januar 1975 Rotach massgeblich beteiligt gewesen war. Ein bemerkenswertes Forschungsvorhaben, das von 1983 bis 1987 unter Rotachs Leitung am IVT und der ETH Lausanne durchgeführt wurde, war das Projekt MANTO (Mensch-Angebot-Nachfrage-Transport und Telekommunikation-Ökonomie und Ökologie): Es ging darum herauszufinden, wie sich der Einsatz von Informationstechnologien auf die Verkehrs- und Siedlungsentwicklung in der Schweiz auswirken würden. Rotach und seine Mitarbeiter erwarteten beispielsweise, dass die Übermittlung von Daten den Transport von Menschen und Gütern teilweise ersetzen könnte und sich dadurch das Verkehrsaufkommen bis zum Jahr 2015 um zwölf Prozent reduzieren würde. Noch optimistischer waren die Schätzungen zum Flächenbedarf von Industrie- und Dienstleistungsbetrieben, bei dem ein Reduktionspotential von bis zu 20 Prozent ausgemacht wurde. Solchen positiv bewerteten Auswirkungen stellten die Studienautoren auch negative Folgen gegenüber: So erwarteten sie etwa, dass durch die konsequente Anwendung der neuen Möglichkeiten elektronischer Informationsverarbeitung und Telekommunikation ein starker Rationalisierungsschub ausgelöst und bis zu einer halben Million Arbeitsplätze überflüssig gemacht würden.
Neben seinen Rollen als Forscher und wissenschaftlicher Politikberater war Rotach auch ein engagierter Hochschullehrer und Popularisierer planungswissenschaftlicher Erkenntnisse und Konzepte. Im Bestand zahlreich vorhandene Vorlesungsunterlagen zeugen davon ebenso wie Vortragsskripte, Artikel in Zeitungen und Zeitschriften sowie Materialien, die im Vorfeld der Volksabstimmung über das RPG von 1976 eingesetzt wurden. Martin Rotach wurde 1993 emeritiert. Seine Professur für Planung und Verkehr am IVT wurde in der Folge aufgehoben.
Stefan Sandmeier
Zitierweise: Stefan Sandmeier, Bestandesbeschrieb Martin C. Rotach, in: Website des gta Archivs/ETH Zürich, November 2014, archiv.gta.arch.ethz.ch/nachlaes-se-vorlaesse/martin-rotach
© gta Archiv / ETH Zürich und der Autor, alle Rechte bleiben vorbehalten. Dieses Werk darf für nichtkommerzielle, pädagogische Zwecke kopiert und weiterverbreitet werden, wenn die Erlaubnis des Autors und der Inhaber der Nutzungsrechte erteilt ist. Für die Genehmigung wenden Sie sich bitte an das gta Archiv.
Der Nachlass umfasst Rotachs private Handbibliothek sowie umfangreiche Unterlagen (ca. 15 Lm) zu Forschungsprojekten und Lehrveranstaltungen, Akten des Lehrstuhls, Korrespondenzen, eigene Publikationen und Literatur aus der ganzen Zeitspanne von Rotachs Tätigkeit an der ETH Zürich (1964 bis 1993).
Weitere Bestände im gta Archiv enthalten Material, das den Nachlass Rotach inhaltlich und thematisch ergänzt: Teil der Sammlung IVT Institut für Verkehrsplanung und Transportsysteme der ETH Zürich sind beispielsweise umfangreiche Akten, Forschungsunterlagen und Publikationen zu MANTO und WBU. Unterlagen zur Tätigkeit von Rotachs Lehrstuhl für Verkehrsingenieurwesen finden sich zudem in der Sammlung ORL Institut für Orts-, Regional und Landesplanung an der ETH Zürich (1961-2002).
Martin Rotach studierte von 1947 bis 1952 Bauingenieurwesen an der ETH Zürich. Von 1954 bis 1955 absolvierte er ein Nachdiplomstudium als Verkehrsingenieur beim Bureau of Highway Traffic an der Yale University in New Haven, Connecticut. Anschliessend kehrte er als Assistent am Lehrstuhl für Eisenbahn- und Strassenbau an die ETH Zürich zurück. Von 1961 bis 1963 arbeitete Rotach als Thurgauer Kantonsingenieur. Ende 1963 berief ihn der ETH-Schulrat als ordentlicher Professor auf den Lehrstuhl für Verkehrsingenieurwesen. Gleichzeitig übernahm Rotach die Direktion des 1961 gegründeten Instituts für Orts-, Regional- und Landesplanung (ORL) an der ETH Zürich. Ende 1971 gab er die ORL-Leitung ab und liess sich von der ETH für zwei Jahre beurlauben, um als Beauftragter des Bundes für Raumplanung nach Bern zu wechseln. In dieser Funktion koordinierte er die Ausarbeitung eines Bundesgesetzes über die Raumplanung (RPG) und unterstützte die Kantone bei der Umsetzung des Bundesbeschlusses über dringliche Massnahmen auf dem Gebiete der Raumplanung von 1969. Bei seiner Rückkehr an die ETH Zürich anfangs 1975 brachte Rotach seinen Lehrstuhl in das Institut für Verkehrsplanung und Transporttechnik (IVT) ein. Am IVT forschte und lehrte Rotach bis zu seiner Emeritierung im Herbst 1993.
Rotach gehörte zu den bedeutendsten Exponenten der schweizerischen Verkehrs- und Raumplanung, die ab Mitte der 1960er-Jahre eine intensive Phase der Professionalisierung und Institutionalisierung erlebte. Seine Arbeit zeichnete sich dadurch aus, dass er Probleme der Verkehrs- und Raumplanung nicht allein aus bauingenieurlicher Perspektive bearbeitete, sondern interdisziplinäre Forschungsansätze verfolgte. In einem von Rotachs wichtigsten Projekten, den Landesplanerischen Leitbildern, die das ORL-Institut im Auftrag des Bundes von 1968 bis 1971 erstellte, kam der interdisziplinäre Forschungsansatz zu einer ersten Blüte: Neben Verkehrs- und Raumplanern wirkten daran auch Ökonomen, Soziologen, Juristen, Kulturingenieure, Geographen und Vertreter zahlreicher weiterer Forschungsrichtungen mit. Zweck der Landesplanerischen Leitbilder war, schematische Hinweise für die künftige Entwicklung von Flächennutzung und Besiedlungsstruktur sowie Infrastrukturen und zentralen Einrichtungen für Behörden, Politik und Öffentlichkeit bereitzustellen. Diese Arbeit kann in verschiedener Hinsicht als Pioniertat gewertet werden: Einerseits trugen die konzeptionellen, methodischen und organisatorischen Leistungen des ORL-Instituts dazu bei, ein systemtheoretisch und auf Ganzheitlichkeit ausgerichtete Planungsverständnis in der Schweiz zu etablieren. Andererseits wurde eine Vielzahl verkehrlicher, geographischer, ökonomischer und demographischer Daten erstmals erhoben und als statistische Basis für umfassende Planungsmodelle eingesetzt.
Nach dem Abschluss der Landesplanerischen Leitbilder widmete sich Rotach als Beauftragter des Bundes für Raumplanung der Ausarbeitung eines ersten RPG-Entwurfs. Dieser fand 1974 die Zustimmung des Parlaments, erlitt in der Volksabstimmung vom 13. Juni 1976 jedoch Schiffbruch. Obwohl er im Rahmen von Beratungsgremien und Kommissionen – vorab in der Kommission für die Gesamtverkehrskonzeption Schweiz sowie der Kommission für die Gesamtenergiekonzeption – weiterhin für den Bund tätig war, kehrte Rotach Ende 1974 auf seinen Lehrstuhl an die ETH Zürich zurück. Diesen löste er mitsamt den angegliederten Mitarbeitern aus dem ORL-Institut heraus und machte ihn zum Kern des Instituts für Verkehrsplanung und Transporttechnik (IVT), an dessen Gründung im Januar 1975 Rotach massgeblich beteiligt gewesen war. Ein bemerkenswertes Forschungsvorhaben, das von 1983 bis 1987 unter Rotachs Leitung am IVT und der ETH Lausanne durchgeführt wurde, war das Projekt MANTO (Mensch-Angebot-Nachfrage-Transport und Telekommunikation-Ökonomie und Ökologie): Es ging darum herauszufinden, wie sich der Einsatz von Informationstechnologien auf die Verkehrs- und Siedlungsentwicklung in der Schweiz auswirken würden. Rotach und seine Mitarbeiter erwarteten beispielsweise, dass die Übermittlung von Daten den Transport von Menschen und Gütern teilweise ersetzen könnte und sich dadurch das Verkehrsaufkommen bis zum Jahr 2015 um zwölf Prozent reduzieren würde. Noch optimistischer waren die Schätzungen zum Flächenbedarf von Industrie- und Dienstleistungsbetrieben, bei dem ein Reduktionspotential von bis zu 20 Prozent ausgemacht wurde. Solchen positiv bewerteten Auswirkungen stellten die Studienautoren auch negative Folgen gegenüber: So erwarteten sie etwa, dass durch die konsequente Anwendung der neuen Möglichkeiten elektronischer Informationsverarbeitung und Telekommunikation ein starker Rationalisierungsschub ausgelöst und bis zu einer halben Million Arbeitsplätze überflüssig gemacht würden.
Neben seinen Rollen als Forscher und wissenschaftlicher Politikberater war Rotach auch ein engagierter Hochschullehrer und Popularisierer planungswissenschaftlicher Erkenntnisse und Konzepte. Im Bestand zahlreich vorhandene Vorlesungsunterlagen zeugen davon ebenso wie Vortragsskripte, Artikel in Zeitungen und Zeitschriften sowie Materialien, die im Vorfeld der Volksabstimmung über das RPG von 1976 eingesetzt wurden. Martin Rotach wurde 1993 emeritiert. Seine Professur für Planung und Verkehr am IVT wurde in der Folge aufgehoben.
Stefan Sandmeier
Zitierweise: Stefan Sandmeier, Bestandesbeschrieb Martin C. Rotach, in: Website des gta Archivs/ETH Zürich, November 2014, archiv.gta.arch.ethz.ch/nachlaes-se-vorlaesse/martin-rotach
© gta Archiv / ETH Zürich und der Autor, alle Rechte bleiben vorbehalten. Dieses Werk darf für nichtkommerzielle, pädagogische Zwecke kopiert und weiterverbreitet werden, wenn die Erlaubnis des Autors und der Inhaber der Nutzungsrechte erteilt ist. Für die Genehmigung wenden Sie sich bitte an das gta Archiv.
Bestand
Der Nachlass umfasst Rotachs private Handbibliothek sowie umfangreiche Unterlagen (ca. 15 Lm) zu Forschungsprojekten und Lehrveranstaltungen, Akten des Lehrstuhls, Korrespondenzen, eigene Publikationen und Literatur aus der ganzen Zeitspanne von Rotachs Tätigkeit an der ETH Zürich (1964 bis 1993).
Weitere Bestände im gta Archiv enthalten Material, das den Nachlass Rotach inhaltlich und thematisch ergänzt: Teil der Sammlung IVT Institut für Verkehrsplanung und Transportsysteme der ETH Zürich sind beispielsweise umfangreiche Akten, Forschungsunterlagen und Publikationen zu MANTO und WBU. Unterlagen zur Tätigkeit von Rotachs Lehrstuhl für Verkehrsingenieurwesen finden sich zudem in der Sammlung ORL Institut für Orts-, Regional und Landesplanung an der ETH Zürich (1961-2002).
Ausgewählte Literatur
- Ernst Winkler, Gabriela Winkler, Martin Lendi, Dokumente zur Geschichte der schweizerischen Landesplanung, Zürich 1979
- Martin Lendi, Zur Geschichte der schweizerischen Raumplanung, in: DISP Nr. 167, Zürich 2006, S. 66 ff.
- Martin Lendi, Ulrich Weidmann, Ein Pionier der Raum- und Verkehrsplanung. Zum Tod von Martin Rotach, NZZ vom 28.03.2007
- Stefan Sandmeier, Vom Eisenbahnbau zur Verkehrsplanung. Die Institutionalisierungsgeschichte des Verkehrswesens an der ETH Zürich, in: ders. u. Axhausen, Kay W. (Hg.): 125 Jahre Verkehrswesen an der ETH Zürich, Zürich 2008, S. 4-33.
- Stefan Sandmeier, Die Etablierung der Verkehrsplanung an der ETH. Zur Vorgeschichte des IVT, Zürich 2009 (IVT/ETH Zürich – Arbeitsberichte Verkehrs- und Raumplanung, Nr. 545).
- Bruno Meyer, «Martin Rotach», in: Historisches Lexikon der Schweiz, Online-Version vom 22.04.2010