IVT – Institut für Verkehrsplanung und Transportsysteme, ETH Zürich / Prof. Carl Hidber, Professur für Verkehrswesen (1970–1998)

Das Institut für Verkehrsplanung und Transporttechnik (IVT, heute Institut für Verkehrsplanung und Transportsysteme) besteht seit Anfang 1975. Zu den Gründungsmitgliedern gehörten die Professoren Martin Rotach (Bestand gta Archiv NSL 4), Carl Hidber, Karl Dietrich und Heinrich Brändli. Hervorgegangen war es aus dem Lehrstuhl für Verkehrsingenieurwesen Martin Rotachs, der bis Ende 1971 zum Institut für Orts-, Regional- und Landesplanung der ETH Zürich gehörte. Über die Beteiligung am Nachdiplomstudium Raumplanung und zeitweilige personelle Verflechtungen blieb das IVT bis zu dessen Auflösung 2002 mit dem ORL-Institut verbunden und ist heute Teil des Netzwerkes Stadt und Landschaft (NSL) der ETH Zürich.

Carl Hidber (*15.01.1932 St. Gallen, †22.04.2008 in Männedorf) studierte von 1952 bis 1957 Bauingenieurwesen an der ETH Zürich. Von 1957 bis 1961 arbeitete er als Assistent an Kurt Leibbrands Lehrstuhl für Eisenbahn- und Verkehrswesen an der ETH Zürich und war bis 1966 auch dessen Mitarbeiter bei der Erarbeitung des Münchner Stadtentwicklungs- und Gesamtverkehrsplans. Anschliessend kehrte er an die ETH Zürich zurück, wo er am Institut für Orts-, Regional- und Landesplanung ORL die Erarbeitung des Teilleitbilds Verkehr der Landesplanerischen Leitbilder übernahm. Im Januar 1970 wurde Hidber zum Professor für Verkehrsingenieurwesen ernannt und gehörte 1975 zusammen mit Martin Rotach, Karl Dietrich und Heinrich Brändli zu den Gründern des Instituts für Verkehrsplanung und Transporttechnik (IVT) der ETH Zürich. Dort forschte und lehrte Hidber bis zu seiner Emeritierung im Herbst 1998. Neben seiner Tätigkeit an der ETH war er auch in verschiedenen Beratungs- und Verbandsgremien sowie als Verwaltungsrat der Swissair (1987 bis 1993) tätig.

Hidbers Planungsverständnis war geprägt von der Vorstellung, dass Probleme der Verkehrs- und Raumplanung nur interdisziplinäre, holistische Ansätze, sprich unter Einbezug von ökonomischen, politischen und sozialen Aspekten gelöst werden konnten. Bei der konkreten Umsetzung dieses Planungsverständnisses orientierte er sich an systemanalytischen Planungskonzepten, wie sie seit den frühen 1960er Jahren in den USA und in Grossbritannien entwickelt wurden, und an mathematischen Modellen, die mittels Computersimulationen ausgewertet werden konnten. Diese Planungskonzepte und -methoden kamen erstmals bei der Erarbeitung des Teilleitbilds Verkehr der Landesplanerischen Leitbilder des ORL-Instituts zum Einsatz. Sie bildeten auch den Kern der Forschungsarbeiten der Kommission für die Gesamtverkehrskonzeption Schweiz (GVK-CH). Hidber leitete von 1972 bis 1977 den wissenschaftlichen Stab der GVK-CH und war massgeblich an der Formulierung der 40 verkehrspolitischen Empfehlungen beteiligt, die im Schlussbericht 1978 präsentiert wurden. Zu den vorgeschlagenen verkehrspolitischen Grundsätzen gehörte die bestmögliche Befriedigung der Verkehrsbedürfnisse von Bevölkerung und Wirtschaft durch den selektiven Ausbau der Verkehrsinfrastrukturen im Einklang mit raumplanerischen und regionalpolitischen Zielen des Bundes. Die Finanzierung sollte durch zwei gleichmässig gefüllte Fonds zugunsten des öffentlichen bzw. des privaten Verkehrs gesichert werden. Gleichzeitig wurde verlangt, dass die Verkehrsbenützer «die von ihnen verursachten Kosten selber zu decken» hätten. Grosses Gewicht wurde auch der Koordination von Planung, Bau und Unterhalt der Verkehrsinfrastruktur sowie der Verminderung negativer Auswirkungen des Verkehrs auf Mensch und Umwelt beigemessen.

Die Orientierung an Zielen der ökonomischen, ökologischen und sozialen Nachhaltigkeit führte Hidber als wissenschaftlicher Leiter der Kommission zur Überprüfung von Nationalstrassenstrecken (NUP) weiter. Dabei kam eine Methodik zur Anwendung, die verschiedene Analyse- und Bewertungsmethoden kombinierte. Die Ergebnisse führten zu konkreten Aussagen über die Zweckmässigkeit, das Verhältnis von Nutzen und Kosten sowie die Umwelt- und Raumwirkungen der untersuchten Autobahnstücke. Die Empfehlungen der NUP-Kommission trugen einerseits dazu bei, die seit dem Ende der 1970er-Jahre sehr emotional geführte politische Debatte zu versachlichen. Andererseits führten sie auch zur Streichung mehrerer besonders umstrittener Nationalstrassenabschnitte 1986 (z.B. N6 Wimmis-Rawil-Uvrier oder Zusammenschluss N1-N3, des sogenannten "Ypsilon", in der Stadt Zürch).

Sein Interesse an computergestützten Modellen machte Hidber zu einem Pionier der Informatikanwendung in der schweizerischen Verkehrs- und Raumplanung: Bereits während der Leitbilder-Arbeiten am ORL-Institut entwickelte er erste Ideen für eine landesplanerische Datenbank, die auf Basis eines gemeindefeinen Flächenrasters planungsrelevante Daten zur Verfügung stellen sollte. Bis 1975 wurde das Informationsraster am ORL-Institut entwickelt und danach vom Bundesamt für Statistik übernommen. Am IVT engagierte sich Hidber für die Entwicklung von Verkehrsnachfragemodellen und den Einsatz von Bewertungsverfahren zur Beurteilung von Verkehrsprojekten.

Stefan Sandmeier

Zitierweise: Stefan Sandmeier, Bestandesbeschrieb IVT – Institut für Verkehrsplanung und Transportsysteme, ETH Zürich, in: Website des gta Archivs/ETH Zürich, November 2014, archiv.gta.arch.ethz.ch/sammlungen/ivt
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Bestand


Zur Sammlung gehören einerseits die Unterlagen aus dem Nachlass von Carl Hidber. Andererseits finden sich umfangreiche Akten, Forschungsunterlagen, Materialien zu Lehrveranstaltungen und Publikationen aus dem Zeitraum von 1965 bis 1998:
  • Projekt MANTO (vgl. Nachlass Martin Rotach und Bestand ORL)
  • Wissenschaftliche Begleituntersuchung zum Projekt Kommunikations-Modellgemeinden der Schweiz der PTT
  • Forschungsprojekt «Schutz in Wohngebieten/Wohnstrassen»
  • Forschungs/Beratungsprojekt «Tempo 100»
  • Forschungs/Beratungsprojekt «Integrierte Verkehrslenkung Zürich»
  • div. Unterlagen zu Verkehrsplanungsthemen
  • Unterlagen zum Nachdiplomstudium Raumplanung, Teil Verkehrsplanung (NDS VPL)
  • Dia- und Filmsammlung des Lehrstuhls für Verkehrsingenieurwesen und des ORL-Instituts


Ausgewählte Literatur