Walter Jonas (1910–1979)
Geb. 27. März 1910 in Oberursel im Taunus, gest. 12. Juni 1979 in Zürich
Walter Jonas studierte in Berlin Kunst und war als Kunstmaler und Grafiker erfolgreich. Er arbeitete auch als Zeichenlehrer und Kunstvermittler, war literarisch tätig und schrieb als Feuilletonist und Kunstkritiker für Schweizer Zeitungen. Einem breiten Publikum war er als Fernsehmoderator von Kunstsendungen bekannt. Internationale Beachtung erlangte er in den 1960er Jahren mit seinen urbanistischen Entwürfen.
Jonas wurde in Deutschland geboren. Noch im Geburtsjahr zog die Familie nach Baden, wo der Vater bei Brown Boveri & Cie. eine Stelle als Patentingenieur angenommen hatte. Nach der Maturität in Zürich studierte er von 1929 bis 1932 Malerei an der Schule Reimann in Berlin, einer von Albert Reimann gegründeten privaten Kunst- und Kunstgewerbeschule, und war Meisterschüler des Brücke-Mitglieds Moriz Melzer. 1932 ging Jonas nach Paris und wurde Mitglied der Künstlergruppe Porza. Nach zahlreichen Studienaufenthalten unter anderem in Korsika, Spanien und Jugoslawien kehrte er 1935 in die Schweiz zurück und liess sich in Zürich nieder. In den frühen 1930er Jahren arbeitete er als Grafiker und hatte eine erste Einzelausstellung. 1941 machte er die Bekanntschaft mit dem Schriftsteller Friedrich Dürrenmatt, mit dem er zeitlebens verbunden blieb. Gemeinsam mit ihm und dem Architekten und Künstler Werner J. Müller schuf er 1943 das Buch einer Nacht. Ebenfalls mit der Beteiligung von Dürrenmatt und Müller entstand im selben Jahr das Epos Gilgamesch mit zwanzig Radierungen, in denen Jonas, erschüttert von den Vorgängen in Europa, die Abgründe menschlichen Machtstrebens darstellt. Er konzentrierte sich in diesen Jahren hauptsächlich auf Radierungen und feierte damit Erfolge. Nach dem Zweiten Weltkrieg widmete er sich wieder vermehrt der Ölmalerei. 1947 wurde er an die Biennale in Venedig eingeladen, im Jahr darauf stellte er in der Zürcher Galerie von Chichio Haller aus. In der Folge konnte er ohne kommerzielle Aufträge und Lehrtätigkeit leben.
Prägende Eindrücke für sein Spätwerk empfing Jonas während seiner zahlreichen Reisen in den 1950er Jahren. 1951 verbrachte er mehrere Monate in Indien, wo er von der Kultur – insbesondere der spirituellen – fasziniert war, aber dennoch feststellte, dass sein einziger Weg die Kunst sei. Widmete sich Jonas zwar hauptsächlich der Malerei, beschäftigte er sich nun auch intensiv mit urbanistischen Themen. Eine Schnittstelle zur Architektur bot der Auftrag für die künstlerische Gestaltung der Wandmalereien für die an der Zürcher Stadtgrenze gelegene, von Haefeli Moser Steiger geplante und 1956/1957 ausgeführte Wohnüberbauung «Farbhof».
Nach eigenem Bekunden hatte Jonas bereits in Paris Anfang der 1930er Jahre über städtebauliche Alternativen zu den hohen Mauern und Hinterhöfen der ärmlichen Vorortquartiere nachgedacht. Entscheidender Anstoss für seine Stadtvisionen war jedoch sein Aufenthalt in Brasilien 1958. Er reiste nach São Paulo, Rio de Janeiro und Brasilia und fand sich in einem nie gesehenen Labyrinth von Häuser- und Strassenschluchten wieder, das ihn an den brasilianischen Urwald erinnerte. Später wird er berichten, dass ihm in São Paulo die Idee für seine Trichterhäuser gekommen sei. Diese Form ermögliche, dass «die Habitation zu einer ruhigen Insel […] wird», fern vom Strassenverkehr, Schmutz und Lärm. Die trichterförmigen Superstrukturen nannte Jonas Intra-Haus; zu geometrischen Gruppen formiert und durch Fussgängerbrücken miteinander verbunden, bilden sie eine Stadt, die Intrapolis. Der Erdboden gehört dem fliessenden Verkehr, die aus statischen Gründen notwendigen «Konterkegel» können für technische Einrichtungen und U-Bahnstationen genutzt werden.
1961 publizierte Jonas erstmals seine Idee für das Trichterhaus unter dem Titel «Ein Beitrag zur modernen Städteplanung» und reichte das Patent für eine entsprechende Siedlung ein. 1962 folgte eine Fernsehsendung zur Intrapolis und die Broschüre Das Intra-Haus. Vision einer Stadt. Mit der Teilnahme an der Expo 64 in Lausanne war Jonas nahe an einer Realisierung seines Entwurfes. Nach Kontakten mit der Ausstellungsleitung gründete er 1963 die «Arbeitsgemeinschaft für das Intrahaus». Nachdem jedoch das Budget und die Fläche für die Abteilung «Mensch und Haus» massiv reduziert wurde, war an eine Verwirklichung der Pläne nicht mehr zu denken; das Projekt war schliesslich einzig mit einer Planzeichnung vertreten. Jonas’ Hoffnungen auf die Realisierung eines Intra-Hauses wurde auch später durch verschiedene Initiativen immer wieder genährt.
1965 wurde Jonas Mitglied der von Michel Ragon, Yona Friedman, Paul Maymont, Georges Patrix und Nicolas Schöffer gerade gegründeten Groupe international de l’architecture prospective (GIAP), die sich der Durchsetzung von radikalen Stadtvisionen verschrieben hatte. Mit Hilfe neuer technischer Mittel sollte die zukunftsweisende Architektur den Schwierigkeiten des Wachstums beikommen. Jonas’ Wettbewerbsbeitrag für ein schwimmendes Kulturzentrum auf dem Zürichsee von 1967 ist ein Musterbeispiel für diese Forderungen. Mit dem Auftrag der Universität Rom, schwimmende Inseln für den Tourismus zu entwerfen, konnte Jonas 1970 seine Ideen weiterentwickeln und beschäftigte sich mit Fragen zu einem nachhaltigen Tourismus.
Als Jonas 1979 starb, waren seine Stadtvisionen weltweit bekannt, ausgeführt wurde hingegen keines seiner Projekte.
Muriel Pérez
Zitierweise: Muriel Pérez, Bestandsbeschrieb Walter Jonas, in: Website gta Archiv / ETH Zürich, Januar 2021, archiv.gta.arch.ethz.ch/nachlaesse-vorlaesse/walter-jonas
© gta Archiv / ETH Zürich und der Autor, alle Rechte bleiben vorbehalten. Dieses Werk darf für nichtkommerzielle, pädagogische Zwecke kopiert und weiterverbreitet werden, wenn die Erlaubnis des Autors und der Inhaber der Nutzungsrechte erteilt ist. Für die Genehmigung wenden Sie sich bitte an das gta Archiv.
Im gta Archiv befinden sich Walter Jonas’ architekturbezogene Arbeiten. Diese umfassen rund 14 Mappen mit zahlreichen Skizzen und Plänen zum Intra-Haus, zur Intrapolis und zum schwimmenden Kulturzentrum sowie Schachteln mit diversen Akten, Texten und Schriften. Hinzukommen drei Ordner mit Modellfotografien, zahlreiche Publikationen, Zeitungsartikel wie auch wenige Dokumente zur GIAP. Ergänzt werden diese Archivalien durch fünf Modelle, vier zur Intrapolis und ein kleines Strukturmodell des Kulturzentrums. Ein weiteres Model der Intrapolis befindet sich in der Sammlung des Deutschen Architekturmuseums in Frankfurt am Main. Jonas künstlerisches Werk wird von der Stiftung Walter und Rosa Maria Jonas in Lengnau (AG) verwaltet. Jonas’ schriftlicher Nachlass befindet sich in der Zentralbibliothek Zürich, seine Tondokumente in der Fonoteca Nazionale Svizzera in Lugano.
Eigene Schriften
Sekundärliteratur
Walter Jonas studierte in Berlin Kunst und war als Kunstmaler und Grafiker erfolgreich. Er arbeitete auch als Zeichenlehrer und Kunstvermittler, war literarisch tätig und schrieb als Feuilletonist und Kunstkritiker für Schweizer Zeitungen. Einem breiten Publikum war er als Fernsehmoderator von Kunstsendungen bekannt. Internationale Beachtung erlangte er in den 1960er Jahren mit seinen urbanistischen Entwürfen.
Jonas wurde in Deutschland geboren. Noch im Geburtsjahr zog die Familie nach Baden, wo der Vater bei Brown Boveri & Cie. eine Stelle als Patentingenieur angenommen hatte. Nach der Maturität in Zürich studierte er von 1929 bis 1932 Malerei an der Schule Reimann in Berlin, einer von Albert Reimann gegründeten privaten Kunst- und Kunstgewerbeschule, und war Meisterschüler des Brücke-Mitglieds Moriz Melzer. 1932 ging Jonas nach Paris und wurde Mitglied der Künstlergruppe Porza. Nach zahlreichen Studienaufenthalten unter anderem in Korsika, Spanien und Jugoslawien kehrte er 1935 in die Schweiz zurück und liess sich in Zürich nieder. In den frühen 1930er Jahren arbeitete er als Grafiker und hatte eine erste Einzelausstellung. 1941 machte er die Bekanntschaft mit dem Schriftsteller Friedrich Dürrenmatt, mit dem er zeitlebens verbunden blieb. Gemeinsam mit ihm und dem Architekten und Künstler Werner J. Müller schuf er 1943 das Buch einer Nacht. Ebenfalls mit der Beteiligung von Dürrenmatt und Müller entstand im selben Jahr das Epos Gilgamesch mit zwanzig Radierungen, in denen Jonas, erschüttert von den Vorgängen in Europa, die Abgründe menschlichen Machtstrebens darstellt. Er konzentrierte sich in diesen Jahren hauptsächlich auf Radierungen und feierte damit Erfolge. Nach dem Zweiten Weltkrieg widmete er sich wieder vermehrt der Ölmalerei. 1947 wurde er an die Biennale in Venedig eingeladen, im Jahr darauf stellte er in der Zürcher Galerie von Chichio Haller aus. In der Folge konnte er ohne kommerzielle Aufträge und Lehrtätigkeit leben.
Prägende Eindrücke für sein Spätwerk empfing Jonas während seiner zahlreichen Reisen in den 1950er Jahren. 1951 verbrachte er mehrere Monate in Indien, wo er von der Kultur – insbesondere der spirituellen – fasziniert war, aber dennoch feststellte, dass sein einziger Weg die Kunst sei. Widmete sich Jonas zwar hauptsächlich der Malerei, beschäftigte er sich nun auch intensiv mit urbanistischen Themen. Eine Schnittstelle zur Architektur bot der Auftrag für die künstlerische Gestaltung der Wandmalereien für die an der Zürcher Stadtgrenze gelegene, von Haefeli Moser Steiger geplante und 1956/1957 ausgeführte Wohnüberbauung «Farbhof».
Nach eigenem Bekunden hatte Jonas bereits in Paris Anfang der 1930er Jahre über städtebauliche Alternativen zu den hohen Mauern und Hinterhöfen der ärmlichen Vorortquartiere nachgedacht. Entscheidender Anstoss für seine Stadtvisionen war jedoch sein Aufenthalt in Brasilien 1958. Er reiste nach São Paulo, Rio de Janeiro und Brasilia und fand sich in einem nie gesehenen Labyrinth von Häuser- und Strassenschluchten wieder, das ihn an den brasilianischen Urwald erinnerte. Später wird er berichten, dass ihm in São Paulo die Idee für seine Trichterhäuser gekommen sei. Diese Form ermögliche, dass «die Habitation zu einer ruhigen Insel […] wird», fern vom Strassenverkehr, Schmutz und Lärm. Die trichterförmigen Superstrukturen nannte Jonas Intra-Haus; zu geometrischen Gruppen formiert und durch Fussgängerbrücken miteinander verbunden, bilden sie eine Stadt, die Intrapolis. Der Erdboden gehört dem fliessenden Verkehr, die aus statischen Gründen notwendigen «Konterkegel» können für technische Einrichtungen und U-Bahnstationen genutzt werden.
1961 publizierte Jonas erstmals seine Idee für das Trichterhaus unter dem Titel «Ein Beitrag zur modernen Städteplanung» und reichte das Patent für eine entsprechende Siedlung ein. 1962 folgte eine Fernsehsendung zur Intrapolis und die Broschüre Das Intra-Haus. Vision einer Stadt. Mit der Teilnahme an der Expo 64 in Lausanne war Jonas nahe an einer Realisierung seines Entwurfes. Nach Kontakten mit der Ausstellungsleitung gründete er 1963 die «Arbeitsgemeinschaft für das Intrahaus». Nachdem jedoch das Budget und die Fläche für die Abteilung «Mensch und Haus» massiv reduziert wurde, war an eine Verwirklichung der Pläne nicht mehr zu denken; das Projekt war schliesslich einzig mit einer Planzeichnung vertreten. Jonas’ Hoffnungen auf die Realisierung eines Intra-Hauses wurde auch später durch verschiedene Initiativen immer wieder genährt.
1965 wurde Jonas Mitglied der von Michel Ragon, Yona Friedman, Paul Maymont, Georges Patrix und Nicolas Schöffer gerade gegründeten Groupe international de l’architecture prospective (GIAP), die sich der Durchsetzung von radikalen Stadtvisionen verschrieben hatte. Mit Hilfe neuer technischer Mittel sollte die zukunftsweisende Architektur den Schwierigkeiten des Wachstums beikommen. Jonas’ Wettbewerbsbeitrag für ein schwimmendes Kulturzentrum auf dem Zürichsee von 1967 ist ein Musterbeispiel für diese Forderungen. Mit dem Auftrag der Universität Rom, schwimmende Inseln für den Tourismus zu entwerfen, konnte Jonas 1970 seine Ideen weiterentwickeln und beschäftigte sich mit Fragen zu einem nachhaltigen Tourismus.
Als Jonas 1979 starb, waren seine Stadtvisionen weltweit bekannt, ausgeführt wurde hingegen keines seiner Projekte.
Muriel Pérez
Zitierweise: Muriel Pérez, Bestandsbeschrieb Walter Jonas, in: Website gta Archiv / ETH Zürich, Januar 2021, archiv.gta.arch.ethz.ch/nachlaesse-vorlaesse/walter-jonas
© gta Archiv / ETH Zürich und der Autor, alle Rechte bleiben vorbehalten. Dieses Werk darf für nichtkommerzielle, pädagogische Zwecke kopiert und weiterverbreitet werden, wenn die Erlaubnis des Autors und der Inhaber der Nutzungsrechte erteilt ist. Für die Genehmigung wenden Sie sich bitte an das gta Archiv.
Bestand
Im gta Archiv befinden sich Walter Jonas’ architekturbezogene Arbeiten. Diese umfassen rund 14 Mappen mit zahlreichen Skizzen und Plänen zum Intra-Haus, zur Intrapolis und zum schwimmenden Kulturzentrum sowie Schachteln mit diversen Akten, Texten und Schriften. Hinzukommen drei Ordner mit Modellfotografien, zahlreiche Publikationen, Zeitungsartikel wie auch wenige Dokumente zur GIAP. Ergänzt werden diese Archivalien durch fünf Modelle, vier zur Intrapolis und ein kleines Strukturmodell des Kulturzentrums. Ein weiteres Model der Intrapolis befindet sich in der Sammlung des Deutschen Architekturmuseums in Frankfurt am Main. Jonas künstlerisches Werk wird von der Stiftung Walter und Rosa Maria Jonas in Lengnau (AG) verwaltet. Jonas’ schriftlicher Nachlass befindet sich in der Zentralbibliothek Zürich, seine Tondokumente in der Fonoteca Nazionale Svizzera in Lugano.
Ausgewählte Literatur
Eigene Schriften
- Walter Jonas, Vorschlag für eine neue Stadt, in: Bauen + Wohnen 22 (1968), Nr. 3, S. III 1–III 3.
- Walter Jonas, Das Intra-Haus. Vision einer Stadt, Zürich 1962.
Sekundärliteratur
- Michel Ragon, Les visionnaires de l’architecture après Le Corbusier, o. O. o. J.
- Städtische Wohnkolonie «Farbhof» in Zürich-Altstetten, in: Werk 46 (1959), Nr. 1, S. 9–13.
- Michel Ragon, Wo leben wir morgen? Mensch und Umwelt – Die Stadt der Zukunft, München 1967.
- Georg Müller (Hg.), Schwimmendes Kulturzentrum / Un centre culturel flottant / Floating Arts Centre, Teufen 1967.
- Justus Dahinden, Stadtstrukturen für morgen. Analysen, Thesen, Modelle, Stuttgart 1971, S. 150–151.
- Peter Killer, Städte im Meer, in: Du. Die Zeitschrift für Kultur, 32 (1972), Nr. 1, S. 65–67.
- Sibylle Schroeder und Martin Steinmann, Utopie aus Zürich? Der Städtebauvorschlag von Walter Jonas. Eine kritische Auseinandersetzung, in: Paul Nizon, Zürcher Almanach, Zürich/Köln 1971, S. 167–173.
- Alfred A. Häsler, Aussenseiter, Innenseiter. Porträts aus der Schweiz, Frauenfeld 1983.
- Heinrich E. Schmid (Hg.), Walter Jonas. Maler, Denker, Urbanist, 2. Aufl., Zürich 1985.
- Stefan Howald, Walter Jonas. Künstler, Denker, Urbanist – Eine Biografie, Zürich 2011.