Jacques Schader (1917–2007)

Geb. am 24. März 1917 in Basel, gest. am 19. Januar 2007 in Zollikon ZH

Jacques Schaders verstand den Architektenberuf ganzheitlich: In seinen Tätigkeiten als Architekt, Redaktor und Hochschullehrer vereinte er Theorie und Praxis, Innovation und Rezeption. Seine Entwürfe umfassen alle Massstabsebenen vom Möbel bis zur städtebaulichen Konzeption einer Hochschulanlage. Mit seinem Œuvre hat Schader die Nachkriegsmoderne in der Schweiz entscheidend mitgeprägt. «Geistige Klarheit» und «starke formale Selbstverständlichkeit» «abseits jeglichen dogmatischen Funktionalismus» schrieb ihm der Journalist und Architekturkritiker Martin Schlappner anlässlich des sechzigsten Geburtstags in der Neuen Zürcher Zeitung vom 24. März 1977 zu. Schader sei «einer der schöpferischsten Architekten unseres Landes».

Nach Abschluss des Realgymnasiums besuchte Schader von 1936 bis 1938 die berufsbegleitende Fachklasse für Innenausbau an der Kunstgewerbeschule Basel. Unter den Lehrern beeindruckten ihn besonders der Architekt und vormalige Direktor am Bauhaus in Dessau Hannes Meyer sowie der Kunsthistoriker und spätere Direktor des Basler Kunstmuseums Georg Schmidt. Neben seiner Ausbildung arbeitete er von 1937 bis 1939 in der Werkstatt für Möbel- und Innenausbau von August Baur. Anschliessend studierte Schader bis 1943 Architektur an der ETH Zürich. Nach seinem Diplom, das er 1943 bei Hans Hofmann ablegte, war er im Architekturbüro von Alois Müggler in Zürich tätig, wo er zusammen mit seinen ehemaligen Studienkollegen Oskar Burri und Otto Glaus Wettbewerbsprojekte zeichnete.

Mit dem Auftrag für ein Ferienhaus in Gandria im Tessin eröffnete Schader 1946 in Zürich ein eigenes Büro. Sein Erstlingswerk wurde publiziert und galt vor allem wegen des doppelgeschossigen Wohnraums mit Galerie und der vollverglasten Front als richtungsweisend. Auch weitere frühe Entwürfe zogen die Aufmerksamkeit auf sich, so das Verwaltungsgebäude des Schweizerischen Obstverbandes in Zug (1949–1950), das Mühlen- und Lagergebäude des Landverbands St. Gallen in Uznach (1952–1954) und der Verkehrspavillon am Bucheggplatz in Zürich (1955–1956). An diesen Bauten kam eine weltoffene, international ausgerichtete Modernität zum Ausdruck.

1948 übernahm Schader zudem die Redaktion der im Jahr zuvor gegründeten Architekturzeitschrift Bauen + Wohnen. Bis 1953 prägte er zusammen mit dem Grafiker Richard Paul Lohse das rasch an Bedeutung gewinnende Journal, das für eine konsequente Fortsetzung der Moderne eintrat und sich als Sprachrohr der international Aufgeschlossenen behauptete.

Mit dem 1. Preis im Wettbewerb für die Kantonsschule Freudenberg in Zürich gelang Schader 1954 ein durchschlagender Erfolg. Schon das Wettbewerbsprojekt sorgte für Aufsehen. Nachdem die Schulhäuser (1959) und die Aula (1961) fertiggestellt waren, galt die Schulanlage als Inbegriff des Aufbruchs und Neubeginns nach der Zäsur des Zweiten Weltkriegs. Architekten reisten von weither an, um das visionäre Meisterwerk zu sehen. Die Kantonsschule Freudenberg wurde eines der meistrezipierten Gebäude der Nachkriegsmoderne. Herausragende Merkmale sind das räumliche Kontinuum und die räumliche Transparenz: Die miteinander verbundenen Trakte ergeben eine zusammenhängende, komplexe Struktur, eine sich ständig fortsetzende Promenade architecturale mit vielfältigen Sichtbezüge durch Treppenhallen und Fassadenöffnungen. Als Ende der 1980er Jahre die Sanierung der Schulanlage anstand, wurde – wohl erstmals für einen Bau der Nachkriegsmoderne in der Schweiz – deren Schutzwürdigkeit postuliert. Schader selbst entwickelte das Sanierungskonzept, in dem er systematisch alle Aspekte inklusive der ursprünglichen Gestaltungsregeln berücksichtigte, und setzte es mit seinen Büropartnern von 1993 bis 2000 in vorbildlicher Weise schrittweise um.

Aufgrund seines Renommees als Entwerfer wurde Schader 1960 als Professor an die Architekturabteilung der ETH Zürich berufen. In seiner Lehre und Forschung stand immer wieder das Thema Wohnen im Vordergrund. Es war seine grundlegende Überzeugung, dass der Architekt einer hohen sozialen und gesellschaftsbildenden Verantwortung nachzukommen habe. Auch in seinen veröffentlichten Texten thematisierte er wiederholt das Wohnumfeld, Sozialisationsbereiche und gemeinschaftsfördernden Wohnungsbau.

1970 legte er seine Lehrtätigkeit nieder und wandte er sich wieder voll und ganz der Tätigkeit in seinem Architekturbüro zu. Es folgten stringente, viel beachtete Bauten wie das Kirchgemeindehaus Aussersihl am Stauffacher und das IBM-Verwaltungsgebäude an der Seefront in Zürich (beide 1970–1973). Und er baute sich ein eigenes Wohnhaus in Schwerzenbach (1973–1974), in dem sich zentrale Ideen seines Schaffens manifestieren: unter anderem die Modulation des Baukörpers durch Staffelung und Stufung sowie dessen Auflösung durch Durchdringungen.

Mit einem seiner letzten Werke, der Wohnüberbauung Schleipfe I in Spreitenbach (1989–1991), konnte Schader endlich seine über Jahrzehnte verfolgten Studien zum Wohnungsbau in die Tat umsetzen. Mit der Aufnahme langjähriger Mitarbeiter als Partner wandelte Schader sein Büro 1987 in «J. Schader + R. Hegnauer Architekten» um und im Jahr 2000 in «Schader, Hegnauer, Ammann Architekten». Danach zog er sich allmählich aus dem Berufsleben zurück.

Michael Hanak

Zitierweise: Michael Hanak, Bestandsbeschrieb Jacques Schader, in: Website des gta Archivs / ETH Zürich, März 2021, archiv.gta.arch.ethz.ch/nachlaesse-vorlaesse/jacques-schader
© gta Archiv / ETH Zürich und der Autor, alle Rechte bleiben vorbehalten. Dieses Werk darf für nichtkommerzielle, pädagogische Zwecke kopiert und weiterverbreitet werden, wenn die Erlaubnis des Autors und der Inhaber der Nutzungsrechte erteilt ist. Für die Genehmigung wenden Sie sich bitte an das gta Archiv.


Bestand



Der umfangreiche Nachlass, der 2007 dem gta Archiv übergeben wurde, enthält Unterlagen zu meisten Bauten und Projekten – das Werkverzeichnis zählt 104 Einträge. Dazu gehören insbesondere 43 Wettbewerbsprojekte, darunter einige mit dem 1. Preis prämierte, von denen jedoch viele keine Umsetzung fanden. Von den selbstentworfenen Möbeln und Inneneinrichtungen finden sich nur spärliche Dokumente. Der Bestand umfasst Skizzen, Pläne, Modelle, Fotografien und Diapositive, zudem persönliche Dokumente, Manuskripte und Vorlesungsunterlagen sowie die Fachliteratur aus Schaders Bibliothek.


Ausgewählte Literatur



Eigene Schriften
  • Die Wohnfläche im Freien in der städtischen Siedlung, in: Bauen + Wohnen 5 (1951), Nr. 10, S. 19–23.
  • Projekt für das Basler Stadttheater, in: Bauen + Wohnen 12 (1958), Nr. 9, S. 306–307 (mit Werner Frey).
  • Entsprechen unsere Wohnungen dem Wohnverhalten?, in: Bauen + Wohnen 21 (1967), Nr. 8, S. Vlll 4/6.
  • Wohnwert und Preis, in: Schweizerische Bauzeitung, 85 (1967), Nr. 42, S. 757–765.
  • Zum Thema Wettbewerbsjurierung, in: Bauen + Wohnen 23 (1969), Nr. 8, S. 285–300.
  • Vertikale Transparenz: drei Arbeiten von J. Schader, in: Bauen + Wohnen 33 (1979), Nr. 10, S. 387–396.
  • Wohnumfeld-Studien 1953–1982, in: Werk, Bauen + Wohnen 70 (1983), Nr. 11, S. 48–59, 70.
  • Plädoyer für das Stiefkind Treppenhaus. Ein Beitrag zur Aufwertung der Wohnqualität im innerstädtischen Wohnungsbau, in: Aktuelles Bauen 8/9 (1984), S. 34–37.
  • Das Treppenhaus als Sozialisationsfeld, in: arcus. Zeitschrift für Architektur und Naturwissenschaft 3 (1985), S. 133–137.
  • Gemeinschaftsfördernder städtischer Wohnungsbau, in: Das andere Neue Wohnen. Neue Wohn(bau)formen, Ausst.-Kat., bearb. von Erwin Mühlestein, Zürich 1986 (Wegleitung 358), S. 116–119.

Sekundärliteratur
  • Marianne Burkhalter u. a., Freudenberg. Der Architekt Jacques Schader und die Kantonsschule in Zürich-Enge. Eine Baumonografie mit einem Verzeichnis ausgewählter Werke, Ausst.-Kat., hg. vom Museum für Gestaltung Zürich und Schweizerischen Werkbund, Zürich 1992.
  • Jürgen Joedicke, Zum 75. Geburtstag von Jacques Schader, in: Werk, Bauen + Wohnen 79 (1992), Nr. 3, S. 76.
  • Tomaso Zanoni, Schader, Jacques, in: Isabelle Rucki und Dorothee Huber (Hg.), Architektenlexikon der Schweiz. 19./20. Jahrhundert, Basel/Boston/Berlin 1998, S. 475–476.
  • Walter Zschokke und Michael Hanak (Hg.), Nachkriegsmoderne Schweiz. Architektur von Werner Frey, Franz Füeg, Jacques Schader, Jakob Zweifel / Post-war Modernity in Switzerland. Architecture by Werner Frey, Franz Füeg, Jacques Schader, Jakob Zweifel, Basel/Boston/Berlin 2001.
  • Claude Lichtenstein und Marc Schwarz, Jacques Schader, Architect. Freudenberg 1959: A Masterpiece of European Architecture / Ein Meisterwerk der europäischen Architektur, Baden 2003.
  • Hubertus Adam, Architekt der Zürcher Akropolis. Zum Tod Jacques Schader (1917–2007), in: archithese 27 (2007), Nr. 3, S. 97.
  • Jakob Zweifel, Jacques Schader 1917–2007, in: werk, bauen + wohnen 94 (2007), Nr. 4, S. 70–71.
  • Michael Hanak, Jacques Schader (1917–2007). Architektur für die Nachkriegsmoderne, Zürich 2018 (mit Werkverzeichnis).